Paschinjan erklärt das Ende der politischen Krise in Armenien

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Am 21. Juni rief Armeniens Premierminister Nikol Paschinjan alle politischen Kräfte des Landes auf, die im Wahlkampf geführten Feindseligkeiten zu beenden.

„Das armenische Volk hat eine Entscheidung getroffen. Das armenische Volk hat eine neue politische Realität und Situation geschaffen. Und der erste Punkt dieser Situation ist der folgende. Ich fordere alle politischen Kräfte und öffentlichen Aktivisten auf, von einem einfachen Punkt aus zu beginnen – Schluss mit gegenseitiger Beleidigung… Ich fordere unsere politischen Unterstützer auf, dass wir den Beleidigungen ein Ende setzen, denn eine neue Seite in der Geschichte Armeniens und Bergkarabachs öffnet sich und wir sollten diese neue Seite mit der Verwirklichung der nationalen und öffentlichen Konsolidierung beginnen“, sagte Paschinjan. Er gab zu, dass er selbst auch aus Gründen, seien sie objektiv oder subjektiv,  solche Stimmungen nicht vermeiden konnte.

Paschinjan fügte hinzu, dass dies nicht bedeute, dass sie von irgendwelchen Verpflichtung zurücktreten würden, die er und seine Zivilvertragspartei vor dem Volk übernommen hätten.  In  Armenien werde unbestreitbare Rechtmäßigkeit, Herrschaft und Ordnung geben. Er erinnerte daran, dass die Rückgabe des vom „Volk geplünderten Guts immer eine dringende Agenda seiner Regierung war“. Alle im Land, die illegales Eigentum haben, müssten nun mit der Regierung verhandeln und das gestohlene Gut selbst zurückgeben. 

„Die innenpolitische Krise, die am 9. November 2020 in Armenien begann, ist vorbei. Ab morgen arbeiten wir wie gewohnt. Und wir müssen verstehen, dass sich die Bedingungen und das [politische] Klima im Land stark verändert haben, weil uns das Volk den Auftrag erteilt hat, eine Diktatur des Rechts im Land durchzusetzen“, betonte Paschinjan.

Auf der anderen Seite erklärte der Anführer des Armenien-Blocks Robert Kotscharjan, dass er die Wahlergebnisse nicht akzeptiert und die Ergebnisse vor dem Verfassungsgericht anfechten werde. Er sagte, die Behörden des Landes hätten mobile Gruppen und Soldaten eingesetzt. „Ohne die administrativen Ressourcen hätten sie es nicht geschafft, eine Mehrheit zu bilden“, fügte er hinzu. Kotscharjan betonte jedoch, dass seine Partei die bei den Wahlen gewonnenen Parlamentssitze einnehmen werde. „Unser Kampf wird viel intensiver. Die parlamentarischen Mechanismen werden es uns ermöglichen, aktiver in andere Richtungen zu arbeiten. Wir werden dieses Regime mit allen Mitteln bekämpfen, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Parlaments. Wenn sie [die derzeitigen Behörden] im gleichen Geist und mit den gleichen Rachefeldzügen weitermachen, zweifle ich nicht daran, dass in Armenien noch einmal außerordentliche Wahlen abgehalten werden werden. Und das wird nicht lange dauern“, fügte er hinzu. 

Die Vertreter des oppositionellen „Ich habe Ehren“-Blocks erklärten, den Kampf gegen die Regierung fortzusetzen. „Diese beschämenden Wahlen werden nicht nur die Probleme unseres Volkes nicht lösen, sondern sogar neue schaffen. Gleichzeitig sind wir sicher, dass auch die echte Opposition ihre Fehler und Unzulänglichkeiten akzeptieren muss. Es war ein Fehler, unter dem Zustand des Nachkriegsschocks und der verursachten Krise im Land zu Wahlen zu gehen aber die ganze Last des Scheiterns auf die Menschen zu legen, ist ein größerer Fehler“, unterstrich der Block. Die Vertreter der Partei Wohlhabendes Armenien verzichteten auf Kommentare zu den Wahlergebnissen bis die Untersuchung der Verstöße während der Wahlen abgeschlossen sind. 

Die Armenische Apostolische Kirche gratulierte Paschinjan zu seinem Sieg und bewertete seine Rede nach den Wahlen positiv. „Bei Gottes Gnaden verliefen die Parlamentswahlen … relativ friedlich und verliefen ohne schwerwiegende Zwischenfälle. Für die [armenische] Kirche ist es äußerst wichtig, dass die politische Kraft, die die Führung des Landes übernimmt, in der Lage ist, pro-patriotische Lösungen für lebenswichtige… Fragen… und andere Themen, die landesweit behandelt werden, sicherzustellen und zu garantieren“, heißt es in der Erklärung der Kirche.

Das US-Außenministerium veröffentlichte nach den Wahlen eine Erklärung. „Wir begrüßen die insgesamt positive Bewertung durch die OSZE/BDIMR-Wahlbeobachtungsmission. Wir freuen uns, dass in den vorläufigen Schlussfolgerungen des BDIMR festgestellt wurde, dass die Menschenrechte und Grundfreiheiten der Wähler im Allgemeinen respektiert wurden, die Kandidaten frei Wahlkampf führen konnten und dass das BDIMR die Stimmenauszählung am Wahltag als positiv bewertet hat. Wir teilen die Besorgnis des BDIMR hinsichtlich der starken Polarisierung und der aufrührerischen Rhetorik unter den Hauptkandidaten. Wir fordern die Armenier aller politischen Zugehörigkeiten nachdrücklich auf, die Ergebnisse dieser Wahlen nach der Bestätigung zu respektieren, das legale Beschwerdeverfahren bei Wahlen anzuwenden, um besorgniserregende Probleme anzugehen und politische Vergeltungsmaßnahmen zu vermeiden, da Armenien weiterhin eine souveräne, demokratische, friedliche und erfolgreiche Zukunft anstrebt,“ stand in der Erklärung. „Wir loben Armenien für die Fortschritte, die es in Bezug auf Reformen und Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung erzielt hat und ermutigen Armenien, diesen Weg im Einklang mit den im Frühjahr 2018 zum Ausdruck gebrachten Bestrebungen des armenischen Volkes fortzusetzen die Rechtsstaatlichkeit und die demokratischen Grundsätze zu respektieren und freuen uns auf die Zusammenarbeit mit der neuen Regierung, um unsere bilateralen Beziehungen und Kooperationen auszubauen“, fügte sie hinzu.

Die EU-Delegation in Armenien gab ebenfalls eine Erklärung ab, in der sie sagte, dass die Wahlen wettbewerbsfähig und im Allgemeinen innerhalb eines kurzen Zeitrahmens gut geführt worden seien. „Wir freuen uns auf die enge Zusammenarbeit mit allen armenischen Institutionen, einschließlich dem neu gewählten Parlament und der Regierung. Die Europäische Union fordert alle politischen Kräfte auf, jetzt zusammenzuarbeiten, um die Herausforderungen, mit denen Armenien konfrontiert ist, im Interesse der armenischen Bürger wirksam anzugehen. Die Europäische Union ist bereit, unsere bilateralen Beziehungen weiter zu stärken und Armenien bei seiner wichtigen Reformagenda auf der Grundlage der gemeinsamen Verpflichtungen im umfassenden und verstärkten Partnerschaftsabkommen EU-Armenien zu unterstützen“, heißt es in der Erklärung der Delegation. Auch EU-Ratspräsident Charles Michel gratulierte Paschinjan zu seinem Sieg. „Herzlichen Glückwunsch an Nikol Paschinjan zum Wahlsieg. Die EU steht Armenien zur Seite, um vertiefte Reformen zu unterstützen. Wir sind auch bereit, die regionale Stabilisierung und eine umfassende Konfliktbeilegung weiter zu unterstützen“, twitterte er.

Auch Georgiens Premierminister Irakli Garibashvili gratulierte Paschinjan zu seinem Sieg. „Ich gratuliere dem armenischen Premierminister Nikol Paschinjan herzlich zu der erfolgreichen Durchführung der Wahlen und dem Sieg der Zivilvertragspartei gemäß den vorläufigen Ergebnissen. Ich wünsche viel Erfolg im Voraus. Ich freue mich auf die enge Zusammenarbeit mit der neuen armenischen Regierung“, twitterte er. Paschinjan reagierte auf die Glückwünsche von Garibashvili, mit dem Wunsch, die Beziehungen zwischen Armenien und Georgien weiter zu vertiefen und zu verbessern und wünschte sich auch Frieden in der gesamten Südkaukasus-Region.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte, man müsse die Bildung der neuen armenischen Regierung abwarten, um Einblick in die Prozesse in Armenien und Bergkarabach zu bekommen. Auch Aserbaidschans Außenminister Jehyun Bayramov äußerte sich zu den Ergebnissen der armenischen Wahlen. „Wir glauben, dass die armenische Regierung die Ursachen der Krise untersuchen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen wird“, sagte er. Die Gründe für die Krise in Armenien liegen nach Ansicht von Bayramov nicht in der Niederlage im Zweiten Bergkarabach-Krieg, sondern in der seit Jahrzehnten verfolgten Aggressionspolitik Armeniens durch Völkerrechtsverletzung, Gewaltanwendung und Veränderung der international anerkannten Staatsgrenzen.

Am 21. Juni veröffentlichte die Zentrale Wahlkommission (CEC) Armeniens die Ergebnisse der Parlamentswahlen, die am 20. Juni mit einer Wahlbeteiligung von 1.281.911 Personen (49,4%) stattfanden. Den Ergebnissen zufolge gewann die regierende Zivilvertragspartei unter Führung des amtierenden Premierministers des Landes Nikol Paschinjan 53,92% (687.251) der Stimmen, gefolgt von dem von Robert Kotscharjan geführten Armenien-Block  mit 21,04% (268.165 Stimmen). Der „Ich habe Ehre-Block“, angeführt von Artur Vanetsyan, erhielt 5,23% (66.633) der Stimmen. Die von Gagik Tsarukyan geführte Partei Wohlhabendes Armenien belegte mit 3,96 % (50.416) der Stimmen den vierten Platz, gefolgt von der von Aram Sargsyan geführten Hanrapetutyun-Partei mit 3,04 % (38.713 Stimmen). Nach den Wahlergebnissen würden neben den vier Sitzen, die den Vertretern der größten nationalen Minderheiten in Armenien vorbehalten sind, nur die Blöcke Zivilvertrag (71 Sitze), Armenien (29) und „Ich habe Ehre“ (7) ins Parlament einziehen. Die Gesamtwahlbeteiligung in Eriwan lag bei 51,55%. In den Regionen wurde in Syunik mit insgesamt 60,38 % die höchste Beteiligung verzeichnet. In anderen Regionen belief sich die Wahlbeteiligung auf folgende Werte: Aragatsotn – 50 %, Ararat – 50,87 %, Armavir – 44,47 %, Gegharkunik – 45,47 %, Lori – 46,73 %, Kotayk – 50,08 %, Shirak – 41,24 %, Vayots Dzor – 56,05 %, Tavush – 53,48 %.

 

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