Mal Krieg, mal Frieden: Widersprüchliche Erklärungen zum Bergkarabach-Konflikt

Die kriegerische Rhetorik auf der Ebene der Verteidigungsministerien Armeniens und Aserbaidschans lässt nicht nach. Der armenische Verteidigungsminister Davit Tonojan sagte noch am Tag der Verhandlungen zwischen den aserbaidschanischen und armenischen Staats- und Regierungschefs in Wien am 29. März, in der Gegenwart der armenischen Gemeinde in New-York, dass er die Formel „Land gegen Frieden“ durch die Formel „Neuer Krieg um neue Gebiete“ ersetzt habe. Demnach werde Armenien die Zahl der Militäreinheiten, die den Krieg auf gegnerisches Territorium verlagern können, erhöhen. Die Aussage fand auch die Unterstützung des armenischen Regierungschefs, Nikol Paschinjan. Dabei geht Armenien davon aus, dass ein neuer Krieg von Aserbaidschan ausgehen werde. Der aserbaidschanische Verteidigungsminister Sakir Hasanow war in seinen Äußerungen nicht weniger bescheiden: „Wenn Armenien in die Offensive gehen wird, werde ich die Möglichkeit haben Tonojan in Jerewan zu treffen“.

Am 7. April sagte der armenische Verteidigungsminister: „Wir wollen keinen Krieg, aber die militärisch-politische Führung Aserbaidschans sollte seine Armee auf den Frieden vorbereiten.“ Daraufhin stellte der Pressesprecher des aserbaidschanischen Verteidigungsministeriums, Vagif Dargahli, fest, dass es auf der Welt kein Land gebe, dessen Armee sich auf den Frieden vorbereiten würde. Die Aufgabe der Armee sei es, ständig in einem Zustand der Wachsamkeit zu sein, um die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität ihres Landes zu schützen. Er bezog sich mit der Aussage, dass der nachhaltige Frieden nur im Falle der Rückgabe von besetzten Gebieten durch das armenische Militär  möglich wäre, auf den Staatspräsidenten Ilham Alijew. „Die Führung Armeniens sollte ein für alle Mal anerkennen, dass unsere Armee erst nach der Befreiung der aserbaidschanischen Länder von der Besatzung über den Frieden nachdenken kann. Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist die aserbaidschanische Armee nicht bereit für den Frieden sondern für den Krieg“, so Dargahli.

Am darauffolgenden Tag sagte der armenische Verteidigungsminister gegenüber der Nachrichtenagentur „Mediamax“, dass Armenien die Sturmtruppen gegen Aserbaidschan vorbereite. „Im Falle einer Provokation treffen wir uns auf dem Territorium des Feindes von Angesicht zu Angesicht. Wenn nötig, können unsere Sturmtruppen Chaos hinter der Front anrichten“, sagte Tonojan.

Der Pressesprecher des Verteidigungsministeriums Aserbaidschans bezeichnete die jüngsten Erklärungen Tonojans als „unlogisch und unsinnig“. Die Aussage von Tonojan sei eine direkte Drohung gegen Zivilisten. Der Pressesprecher legte nahe, dass die jüngsten Erklärungen des armenischen Verteidigungsministers gegen Nikol Paschinjan gerichtet seien und dass Tonojan sich für seine zukünftige politische Karriere profilieren wolle.

Unterdessen sprach die Ehefrau des armenischen Ministerpräsidenten, Anna Akopjan, über die Notwendigkeit eines Friedensschlusses. Im Interview mit „Voice of America“ erzählte sie von ihrer Initiative „Frauen für den Frieden“. Dabei betonte sie, dass Tausende von Soldaten in Bergkarabach umsonst gestorben seien. „Es gab Tausende von Opfern, dies war jedoch für nichts, weil uns diese Opfer nicht näher an eine Lösung des Konflikts gebracht haben. Vielleicht haben sie uns sogar weiter von einer Lösung weggebracht, denn wir können unter den bestehenden hasserfüllten Bedingungen keine Lösung für den Konflikt finden“, so Akopjan. Diese Aussage sorgte für dermaßen scharfe Kritik aus den Reihen der ehemaligen Regierungspartei RPA, dass Nikol Paschinjan seine Frau in Schutz nehmen musste. Nach der Darstellung von Paschinjan habe Anna Akopjan die im April-Krieg 2016 gestorbenen aserbaidschanischen Soldaten gemeint. Akopjan selbst bekräftigte danach, sie wäre bei einem erneuten Kriegsausbruch bereit „mit Waffen in der Hand“ zu kämpfen.

Die offiziellen Verhandlungen um den Bergkarabach-Konflikt wurden nach einer langen Pause, die mit dem Machtwechsel in Armenien zusammenhing, durch das Treffen zwischen dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew und dem armenischen Premierminister Nikol Paschinjan am 29. März 2019 wiederaufgenommen. Nach dem Treffen hieß es, dass die beiden Staats- und Regierungschefs der Fortsetzung des direkten Dialogs zugestimmt und ihren Außenminister Anweisung gegeben hätten, sich demnächst erneut zu treffen. Das Treffen soll am 15. April in Moskau stattfinden.

Die Region Bergkarabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, jedoch wird sie von Armenien, das sich als Schutzmacht für die Karabach-Armenier sieht, militärisch besetzt. Die Minsker Gruppe der OSZE unter dem Ko-Vorsitz Russlands, Frankreichs und der USA, vermittelt seit 1994 bei der Suche nach einer friedlichen Lösung des Konflikts, ein Erfolg steht bisher aus.

 

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