Andreas Umland: Der Bergkarabach-Konflikt ist eine Zeitbombe

Der ungelöste Bergkarabach-Konflikt sei nicht nur ein Problem für den Südkaukasus, sondern auch für die Welt, weil das Risiko groß angelegter Militäreinsätze ständig steige, sagte der deutsche Politologe, Andreas Umland, gegenüber der Nachrichtenagentur “Vestnik Kavkaza”.

"Der Bergkarabach-Konflikt ist eine Zeitbombe, und niemand weiß, wann sie explodieren wird. Je länger die Lösung verschoben wird, desto schärfer wird das Problem, und desto mehr steigt auch die Gefahr, dass sich der Konflikt von einem regionalen zu einem globalen entwickelt. Das schlimmste Ergebnis wäre eine mögliche Ausdehnung eines neuen armenisch-aserbaidschanischen Krieges zu einem Konflikt mit der Teilnahme der militärischen Verbündeten beider Parteien. Russland und Armenien sind Mitglieder der OVKS. 2010 schloss die Türkei mit Aserbaidschan ein strategisches Partnerschaftsabkommen. Die Türkei wiederum ist Mitglied der NATO. Es besteht das Risiko, dass das ungelöste Problem von Bergkarabach zu einem Krieg zwischen Russland und dem Nordatlantik-Bündnis führen wird“, warnte er.

Zugleich schätzte Umland die Wahrscheinlichkeit einer solchen Entwicklung als gering ein. Alleine die Möglichkeit eines solchen Szenarios zeige allerdings, wie hoch die vom Bergkarabach-Konflikt ausgehende Gefahr für die regionale und makroregionale Sicherheit sei. “Wenn in naher Zukunft keine Lösung gefunden wird, wird die Situation für alle Parteien und ihre Verbündeten und Partner sehr gefährlich. Internationale Organisationen und wichtige Vermittler bei der Konfliktlösung sollten dieses Problem viel ernster nehmen", sagte Umland. 

„Die internationale Gemeinschaft, einschließlich der Europäischen Union und der NATO, möchte, dass dieser Konflikt gelöst wird. Aber es gibt keine einfache Lösung, und Bergkarabach ist weit entfernt von Europa, von Frankreich sowie Deutschland und ganz zu schweigen von den Vereinigten Staaten. Ich denke, der Westen sollte eine wichtigere Rolle bei der Vermittlung in der Beilegung des Bergkarabach-Konflikts spielen, aber bisher mussten wir feststellen, dass sich westliche Politiker mit anderen Problemen beschäftigen, die ihnen wichtiger erscheinen “, erklärte der Experte.

Die Bereitschaft von Baku die zerstörten und besetzten aserbaidschanischen Gebiete aufzubauen, damit die aserbaidschanischen und armenischen Gemeinden in Bergkarabach dort zusammenleben können, sichere die Friedensperspektive. „Die jüngste Präsentation der aserbaidschanischen Gemeinde von Bergkarabach hat gezeigt, dass jetzt eine gute Gelegenheit besteht, das Problem zu lösen. Vertreter der Gemeinschaft betonten, dass sie bereit sind, die armenische Bevölkerung von Bergkarabach im Rahmen eines vereinten Aserbaidschans einzubeziehen, und dass die Bürgerrechte und Interessen der armenischen Gemeinschaft in vollem Umfang respektiert werden. In diesem Zusammenhang denke ich, dass der Konflikt lösbar ist, aber es müssen noch weitere Anstrengungen unternommen werden“, sagte Andreas Umland.

Laut dem Experten könnte das Modell der türkisch-aserbaidschanischen Partnerschaft als Beispiel für die Beziehungen zwischen der NATO und den Ländern der Östlichen Partnerschaft dienen. "Aserbaidschan spielt  für die Europäische Union nicht nur eine wichtige Rolle als große Energiemacht, sondern ist auch ein Verbündeter der Türkei, und das gleiche Abkommen von 2010 über die aserbaidschanisch-türkische Zusammenarbeit könnte ein Modell für eine osteuropäische Sicherheitspartnerschaft zwischen den NATO-Mitgliedstaaten und den Ländern der Östlichen Partnerschaft sein", sagte Umland. 

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