Armenien und Aserbaidschan: Big Brother Watches You
Am 31. März schaffte die armenische Regierungsfraktion „Mein Schritt“ im zweiten Anlauf das höchst umstrittene Gesetz zu verabschieden, das die totale elektronische Überwachung von Bürgern während des Ausnahmezustandes im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erlaubt. Die Oppositionsfraktionen „Helles Armenien“ und „Blühendes Armenien“ haben bis zum letzten Moment versucht, die Verabschiedung des Gesetzes durch Boykott der Sitzung zu verhindern, so dass der Entwurf in der ersten Lesung scheiterte. Doch gegen die von der Regierung kontrollierte Parlamentsmehrheit konnte die Opposition nicht lange angehen. Am Abend des 31. März verabschiedeten die Abgeordneten von „Mein Schritt“ mit 71 Stimmen das Gesetz.
Das umstrittene Gesetz erlaubt den Behörden auf private Daten der Bürger aus den öffentlichen Kommunikationsnetzen ohne jeglichen Gerichtsbeschluss zuzugreifen. So wird die Regierung den Standort jedes einzelnen Bürgers lokalisieren, seine Bewegungen beobachten sowie seine Internet-Kommunikationen, Kontakte, die mit ihm in Verbindung stehenden Telefonnummer, Anrufumleitungen, Telefonate und deren Länge abfragen können. Das Justizministerium versicherte allerdings, dass Inhalte der Telefonate nicht abgehört werden würden. Alle erfassten Daten würden einen Monat nach dem Ende des Ausnahmezustandes endgültig gelöscht werden.
Um sich freiwillig unter die staatliche Beobachtung zu begeben, müssten nun alle armenischen Bürger auf ihre Smartphones eine App, die die Behörden zur Verfügung stellen werden, herunterladen. Diejenigen Bürger, die die App nicht installieren werden, würden zuhause oder gar „in einer Einrichtung“ isoliert werden.
Die Regierung warf der Opposition vor, dass sie das Gesetz blockieren und somit die Menschenleben nicht retten wollte. Der Vorsitzende der Partei „Helles Armenien“, Edmon Marujkan, erinnerte seinerseits die Regierungsmannschaft daran, dass sie sogar nach dem Beginn der Epidemie in Armenien Wahlwerbung betrieben habe. Denn vom ersten bestätigten Coronavirus-Fall in Armenien war bereits am 1. März berichtet worden, dennoch veranstaltete der armenische Premierminister bis 13. März zahlreiche Treffen mit Bürgern, um für das inzwischen verschobene Referendum über Verfassungsänderungen zu werben.
Am 1. April wurden die Quarantäne-Maßnahmen in Armenien noch einmal verhärtet, indem eine landesweite Ausgangssperre verhängt wurde. Die U-Bahn in Jerewan stellte den Betrieb ein. Derzeit liegt die Zahl der mit Covid-19 infizierten Personen bei 736. Es wurden bisher fünf Todesfälle gemeldet (Stand: 03.04.2020).
Auch in Aserbaidschan wurde am 2. April die polizeiliche Überwachung der Bürger durch elektronische Geräte eingeführt. Der stellvertretende Vorsitzende der Hauptabteilung für öffentliche Sicherheit, Aziz Bagischew, sagte, dass die Bürger, die ihr Haus verlassen, den Grund für das Ausgehen erklären müssen, indem sie anrufen oder eine Nachricht an eine bestimmte Nummer senden. „Das [System, das diese Informationen erhält] leitet sie an die Polizei weiter. Nachdem die Polizei einen Bürger auf der Straße angehalten hat, weiß sie bereits, ob diese Person das Haus verlassen darf oder nicht. Ein Bürger muss ihn sogar über den Besuch der Apotheke oder des Marktes informieren. Diese Arbeiten wurden bereits abgeschlossen und die Öffentlichkeit wird bald informiert“, sagte er.
Der Sprecher des aserbaidschanischen Ministerkabinetts Ibrahim Mammadow äußerte sich ebenfalls besorgt über die Verbreitung des Virus im Land. „Nur 26 Menschen haben sich erholt. Der Zuwachs dieser Spanne ist ein schlechter Trend. Es wird nicht gesagt, dass die Situation außer Kontrolle geraten ist. Wenn sich dieser Trend fortsetzt und sich die Situation verschlechtert, ist die Ausrufung des Ausnahmezustands nicht ausgeschlossen. Die Regierung hat alle Pläne. Es ist jedoch wünschenswert, dass dies nicht erforderlich ist“, erklärte er. Er blieb jedoch optimistisch und fügte hinzu, dass, wenn die Bürger die aktuellen Regeln einhalten, „ein positiver Wendepunkt in Bezug auf das Coronavirus nach 2 Wochen beginnen kann“.
Derzeit wurden in Aserbaidschan 443 Fälle von Coronavirus-Infektionen bestätigt, wobei 5 Todesfälle verzeichnet wurden. Es wurde auch berichtet, dass die Infektionsfälle in allen Regionen des Landes registriert wurden.