EU wirbt für ihre Interessen in Zentralasien
Die neue Strategie der Europäischen Union für Zentralasien wird von der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, und der für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung zuständigen EU-Kommissarin, Neven Mimica, auf der 15. Ministertagung EU-Zentralasien am 7. Juli in Bischkek offiziell vorgestellt. Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) hat bereits das Dokument „Die Europäische Union und Zentralasien: Neue Möglichkeiten für eine stärkere Partnerschaft“ veröffentlicht. Dieses Dokument soll vom Europäischen Rat bestätigt werden.
Trotz einer Reihe innerer Probleme (britischer Austritt, Migration, Widersprüche zwischen gemeinsamen europäischen und nationalen Werten, wirtschaftliche Turbulenzen usw.) und unzureichendem Einfluss verglichen mit China, Russland und den Vereinigten Staaten fördert die EU weiterhin aktiv ihre Interessen in Zentralasien. Das 17-seitige Dokument enthält „eine neue Vision für eine stärkere Partnerschaft mit Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan.“ Es ist ein „Schlüsselmoment für die sich schnell entwickelnde euro-asiatische Konnektivität.“ Die Strategie zielt darauf ab, eine „stärkere, moderne und offene Partnerschaft mit den Ländern Zentralasiens“ aufzubauen, damit sich die Region zu einem nachhaltigen, widerstandsfähigeren, prosperierenden und eng miteinander verbundenen wirtschaftlichen und politischen Raum entwickelt. Die EU betont, dass sie ihr Engagement in den zentralasiatischen Ländern vertiefen möchte, die bereit und in der Lage sind, die Beziehungen zu intensivieren. Gleichzeitig stellt das Dokument fest, dass die Europäische Union die Bestrebungen und Interessen jedes Staates in der Region respektiert und die Notwendigkeit beibehält, zwischen bestimmten Ländersituationen zu unterscheiden.
Der Experte für Europa, Dimash Abdullin (Kasachstan), kommentierte das Dokument auf Ersuchen von Vestnik Kavkaza wie folgt: „Dies ist sowohl eine Vision als auch eine gemeinsame Erklärung zu den Chancen, was sehr ermutigend ist. Man sollte verstehen, dass die EU seit ihrer Gründung und bis zum heutigen Tag ein Befürworter von Stabilität und Entwicklung war, und versucht, unerwünschte Veränderungen in vielen Bereichen zu vermeiden. Genau diese Vektoren sind im Dokument wiedergespiegelt.“
Die erwartete Veröffentlichung der Strategie im Frühjahr könnte aufgrund verschiedener Faktoren auf Juli verschoben werden - die Gelegenheit, das Dokument in einer ruhigeren Atmosphäre vorzulegen, die Wahl des Europäischen Parlaments und die mögliche Wahl eines neuen Präsidenten der Euroäischen Kommision.
Zur Einschätzung der Situation in Zentralasien in diesem Kontext sagte der Experte, dass in naher Zukunft keine Änderungen in der Außenpolitik der zentralasiatischen Länder zu erwarten sei. „Die Politik der Stärkung und Entwicklung der Beziehungen zur EU ist von strategischer Bedeutung. In Bezug auf die verschiedenen außenpolitischen Faktoren ist alles sehr ausgewogen. Die Präsidentschaftswahlen in Kasachstan haben keinen Einfluss auf dieses Thema. Ein positiver Faktor ist die Bildung eines gemeinsamen außenpolitischen Kurses, der eindeutig fortschrittlich ist und mit der Veröffentlichung einer neuen EU-Strategie für Zentralasien zu einem positiven politischen und wirtschaftlichen Wachstum in den Ländern der Region beitragen kann“.
Dem Dokument zufolge wird sich die EU darum bemühen, strukturelle Beschränkungen für den regionalen Handel und Investitionen zu beseitigen, den Beitritt der verbleibenden zentralasiatischen Staaten zur WTO zu unterstützen und eine nachhaltige Vernetzung zu fördern. Der Übergang zu allgemeinen Regeln und einem stärker integrierten regionalen Markt, die Lösung gemeinsamer Probleme wie Umweltzerstörung und Terrorismus sowie die Intensivierung der Zusammenarbeit mit zentralasiatischen Partnern zur Förderung des Friedens in Afghanistan sind ebenfalls wichtig.
Der Generaldirektor des Think-Tanks „Strategie Ost-West“ (Kirgistan), Dmitri Orlow, glaubt, dass die Europäische Union durch die Stärkung ihrer Präsenz im Osten den starken Einfluss der Vereinigten Staaten kontern will. „Brüssel und höchstwahrscheinlich Berlin haben verstanden, dass es an der Zeit ist, die Interessen der EU nicht mehr durch das Prisma der USA zu sehen. Eine andere Frage ist, wie sich das neue Europa verhält (baltische Staaten, osteuropäische Länder), diese sind der EU mit Unterstützung Washingtons beigetreten, was gewisse Verpflichtungen mit sich bringt. Daher ist ein Interessenkonflikt zwischen dem neuen und dem alten Europa möglich. Tatsache ist, dass die Europäische Kommision eine sehr interessante Erklärung abgegeben hat, dass die EU die zentralasiatischen Länder, insbesondere Kirgisistan, aus dem Einfluss von Russland und China bringen will, sagte Dmitry Orlov zu Vestnik Kavkaza. Dem Experten zufolge ist es schwer vorstellbar, wie die Union dies schaffen will, da Russland und China beispielsweise die wichtigsten Wirtschaftspartner Kirgistans sind.
Laut dem Kommissar für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung, Neven Mimica, hat die EU von 2014 bis 2020 etwas mehr als 1 Milliarde US-Dollar für die zentralasiatischen Länder bereitgestellt. Die Absicht der EU, Afghanistan in Zentralasien „einzubringen“, ist ebenfalls unklar. Die USA und die EU wollen dadurch einen Teil der Verantwortung für Afghanistan auf die zentralasiatischen Länder verlagern, bemerkte Orlow.
Quelle: Vestnik Kavkaza