In Tod gemobbt: Selbstmord eines Schulmädchens wühlt Aserbaidschan auf

Der Tod einer 14-Jährigen Schülerin hat Social-Media-Kampagnen in ganz Aserbaidschan ausgelöst, berichtet Euroasianet. Am 4. April sprang Elina Hadschijewa aus einem Fenster im dritten Stock der Schule Nr. 162 in Baku. Zuvor soll sie sich mehrfach über Mobbing durch ihre Mitschüler beklagt haben. Zeugenberichten zufolge versuchte die Schulverwaltung, den Vorfall zuerst zu vertuschen und sich abzusichern. Sulejka Schirinowa, eine Freundin von Hadschijewa, erzählte der Nachrichten-Website baku.ws, dass „die Direktorin [der Schule] sofort befohlen hat, Blut wegzuwischen“. Danach  habe sie das Mädchen vernommen und sich dabei filmen lassen. In sozialen Netzwerken tauchte das Video auf, in dem zu sehen war, wie die Schulleitung die halbbewusstlose und unter Schock stehende Schülerin dazu bringen wollte, Selbstmordgedanken zuzulassen und Familienprobleme und nicht das Mobbing in der Schule für den Zwischenfall verantwortlich zu machen. Die Schulverwaltung soll den Krankenwagen erst zwei Stunden nach dem Vorfall gerufen haben. Im Krankenhaus fiel Hadschijewa ins Koma und starb zwei Tage später. 

Nach dem Tod des Mädchens sagte die Schulleiterin, Sevinj Abasowa, dass die Ursache des Selbstmords auf die Scheidung und Trennung ihrer Eltern zurückgeführt werden müsse. In einer Sprachnachricht, die  auf der Nachrichten-Website movqe.az veröffentlicht wurde, bezeichnete die Direktorin das verstorbene Mädchen als „Kind einer unmoralischen und unglücklichen Familie“. Abasowas Kommentare sorgten für Empörung in der Gesellschaft und lösten unter dem Motto #ElinaÜçünSusma (Bleib nicht still für Elina) eine landesweite Social-Media-Kampagne aus.

Die Social-Media-Kampagne zog die Aufmerksamkeit der obersten staatlichen Behörden Aserbaidschans auf sich. Am 11. April erklärte Hidschran Huseinova, Vorsitzende des aserbaidschanischen Staatskomitees für Familie, Frauen und Kinder, dass der Fall nun unter der Kontrolle des Präsidenten sei. Von der Führungsebene des Landes werde erwartet, dass „die schuldige Person angemessen bestraft wird“. Am 16. April wurde bekanntgegeben, dass die Staatsanawaltschaft die Verhaftung der Schuldirektorin wegen unterlassener Hilfeleistung gefordert hat.

Bei der Staatsanwaltschaft wurde ein Strafverfahren gemäß Artikel 125 des Strafgesetzbuches von Aserbaidschan eingereicht, wonach eine Haftstrafe von bis zu sieben Jahren wegen Beteiligung am Selbstmord verhängt wird. Die Schuldirektorin und Psychologin sind inzwischen entlassen worden.

Siehe auch

"Caucasus Watch" sucht lokale Experten aus Georgien, Armenien, Aserbaidschan und der Nordkaukasus-Region. Wir bieten eine flexible Form der Zusammenarbeit, eine angemessene Vergütung und Zugang zu einer europaweiten Leserschaft. Senden Sie Ihren Lebenslauf, ein Bewerbungsschreiben und eine Arbeitsprobe an redaktion@caucasuswatch.de. Für Fragen: i.dostalik@caucasuswatch.de.

Wir verwenden Cookies, um unser Angebot für Sie zu verbessern. Mehr Informationen dazu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.