Jüngste Entwicklungen der aserbaidschanisch-iranischen Spannungen
Baku beklagt die iranische Beteiligung am Zweiten Karabach-Krieg
Die aserbaidschanische regierungsnahe Website Caliber.az berichtet, dass iranische Truppen während des Zweiten Bergkarabach-Krieges im Herbst 2020 in aserbaidschanisches Gebiet „eingedrungen“ seien.
„Auf dem Vormarsch in Richtung Zangilan entlang der iranischen Grenze am 17. Oktober 2020 seien aserbaidschanische Truppen auf iranische Armeeeinheiten gestoßen“, heißt es auf der Website.
„Unser südlicher Nachbar hat ohne Rücksicht auf das Völkerrecht, die Unverletzlichkeit der Grenzen und die territoriale Integrität Aserbaidschans das souveräne Territorium unseres Landes grob verletzt. Es war derselbe Iran, dessen Führung heute über einige 'rote Linien' spricht, die sich auf die territoriale Integrität Armeniens beziehen“, so Caliber.az.
Der Website zufolge hatten iranische Soldaten den aserbaidschanischen Truppen den Weg mit Betonbarrieren versperrt und behauptet, sie würden den Khudafarin-Damm schützen. Caliber.az erklärte, dass die Verhandlungen zwischen den aserbaidschanischen und iranischen Befehlshabern ergebnislos verlaufen seien und sich die aserbaidschanischen Truppen zurückgezogen hätten, um ein bewaffnetes Zusammentreffen mit den Iranern zu vermeiden.
„In der Nacht zum 18. Oktober wurde Teheran über diplomatische Kanäle über den starken Protest Aserbaidschans gegen das unzulässige Eindringen der iranischen Armee in sein Hoheitsgebiet informiert. Baku drohte damit, den Verrat Teherans öffentlich zu machen, was sicherlich eine Reaktion von Millionen Aserbaidschanern auf beiden Seiten des Araxes hervorrufen würde. Der Militärattaché der iranischen Botschaft in Aserbaidschan Javad Frootani wurde in Begleitung aserbaidschanischer Soldaten noch in der Nacht in den Bezirk Cabrayil geschickt, um die Situation vor Ort zu untersuchen und zu klären. Nach einem Tag angespannter Verhandlungen zog der Iran seine Truppen aus dem aserbaidschanischen Gebiet ab. Ein Tag, den Teheran für Armenien herausgezögert hat“, schrieb Caliber.az.
Der Rückzug habe den schnellen Vormarsch der aserbaidschanischen Armee verzögert und zu Verlusten auf aserbaidschanischer Seite geführt.
Auf der ebenbfalls regierungsfreundlichen Website Haqqin.az wurde der iranische Politikexperte Reza Talebi zitiert, der Iran habe während des Bergkarabach-Krieges elektronische Kriegsführungssysteme an der aserbaidschanischen Grenze eingesetzt. Ziel sei es gewesen, erstens der armenischen Seite nachrichtendienstliche Informationen zu übermitteln, die durch Abhören gewonnen wurden, und zweitens Irans elektronische Kriegsführungssysteme zu testen und zu versuchen, türkische und israelische Drohnen, die von Aserbaidschan im Krieg eingesetzt wurden, abzuschießen und die Technologie zu erlernen, so die Website weiter.
Die Spannungen zwischen Baku und Teheran nahmen zu, nachdem Baku beschlossen hatte, Zölle auf iranische Lastwagen zu erheben, die Waren aus dem Iran nach Armenien transportierten. Der iranische Vorwurf, Baku habe Israel in sein Land gelassen und eine Übung der iranischen Armee an der Grenze zu Aserbaidschan trugen zur weiteren Eskalation der Spannungen bei.
Offizielle aus Baku beschuldigen Iran des Aufbaus eines Agentennetzes
Javid Osmanov, Vorstandsmitglied der regierenden Neuen Aserbaidschanischen Partei, sagte, dass Hojjat-ol Eslam Ali Akbar Ocaqnejad, der Vertreter des iranischen Obersten Führers Khamenei in Baku, der die Stadt vor kurzem verlassen hat, mit dem Aufbau eines Agentennetzes in Aserbaidschan beschäftigt gewesen sei.
Osmanov äußerte sich dazu in einem Interview: „Er (Ocaqnejad) beaufsichtigte die Huseynisten-Bewegung, die Islamische Partei, die Bewegung für die Einheit der Muslime und andere schädliche Sekten. Der Iran hat ein offenes Vorurteil gegenüber Aserbaidschan.“ Der Abgeordnete bedauerte, dass „der Iran, der stets freundschaftliche und nachbarschaftliche Beziehungen zu Aserbaidschan unterhielt, jetzt eine voreingenommene Haltung gegenüber Aserbaidschan einnimmt“.
In einer von der regierungsnahen Nachrichtenagentur APA veröffentlichten Analyse heißt es außerdem, dass „das iranische Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) den Drogenhandel über die aserbaidschanischen Gebiete, die seit fast drei Jahrzehnten unter armenischer Kontrolle stehen, direkt kontrolliert hat. Die Tatsache, dass der Iran nun die Kontrolle über den Drogenhandel verliert, ist der eigentliche Grund für die iranische Aggression gegenüber Aserbaidschan.“
In dem Artikel heißt es auch, dass der Iran zu den Ländern gehört, die versuchen, die Einrichtung des ‘Zangazur-Korridors’ - einer möglichen Verkehrsverbindung zwischen dem aserbaidschanischen Festland und seiner Exklave Nachitschewan - zu verhindern. Teheran glaubt, dass der Korridor dazu führen wird, dass die iranisch-armenische Drogenhandelsroute vollständig geschlossen wird, heißt es in dem Artikel. Der Drogenhandel stehe direkt unter der Kontrolle der IRGC und das damit verdiente Geld werde zur Deckung des Bedarfs der Organisation verwendet, einschließlich der Finanzierung ausländischer terroristischer Organisationen und Gruppen.
Die Analyse besagt auch, dass die meisten Lastwagen, die nach Armenien und in den unter armenischer Kontrolle stehenden Teil Bergkarabachs geschickt wurden, einem iranischen Unternehmen mit Sitz in den nordwestlichen Städten Sufian und Täbris gehörten. Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft eines Unternehmens, das unter dem Schutz der IRGC operiert und die Lastwagen, die aus dem iranischen Nordwesten kamen, benutzten mindestens zwei verschiedene Routen, um nach Bergkarabach zu gelangen - die Straße Goris-Lachin und eine, die von der iranischen Provinz Ardabil in den aserbaidschanischen Bezirk Jabrayil führt (den Baku im Krieg zurückerobert hat), so der Artikel.
In der Zwischenzeit meldete die regierungsnahe Nachrichtenseite Minval.az, dass Baku den Iran tatsächlich der Zusammenarbeit mit „Terroristen“ beschuldigt habe.
Dies bezog sich auf eine Erklärung, die das aserbaidschanische Außenministerium am 11. Oktober als Reaktion auf Äußerungen des iranischen Außenministers Hossein Amir-Abdollahian im libanesischen, mit der Hisbollah verbundenen Fernsehsender Al-Manar veröffentlichte. Baku erklärte, der Iran setze seine „Verleumdungskampagne“ gegen Aserbaidschan fort und wies Anschuldigungen zurück, dass es auf seinem Boden Terroristen „gab“ oder „gibt“. „Unser Rat an diejenigen, die nach Terroristen suchen, lautet, sie in ihrer eigenen Umgebung zu suchen“, so das Ministerium.
Iran über seine Beziehungen zu Aserbaidschan und Armenien
Ein Sprecher des iranischen Außenministeriums sagte, Teheran und Baku hätten „sehr gute und vielschichtige“ Beziehungen.
„Ich habe gestern auf einer Pressekonferenz gesagt, dass unsere Beziehungen zu unseren Nachbarn, einschließlich Aserbaidschan, normal sind und es unnormal ist, keine Beziehungen zu ihnen aufzubauen“, sagte Khatibzade.
Zuvor hatte der iranische Außenminister in einem Interview mit dem russischen Staatssender Rossiya 24 die Beziehungen zu Aserbaidschan bewertet. Hussein Amir Abdullahian bezeichnete Aserbaidschan und Armenien als „gute Nachbarn“ und sagte, er könne Baku und Eriwan besuchen.
„Der Ausbau der Beziehungen zu unseren Nachbarn, insbesondere zu unseren nördlichen Nachbarn, ist eines der wichtigsten Prinzipien der neuen iranischen Regierung. Aserbaidschan und Armenien sind unsere guten Nachbarn. Und wir können nicht gegeneinander arbeiten. Unsere Außenpolitik ist ausgewogen.“
Die Erklärung kommt inmitten der Spannungen zwischen den beiden Ländern. Zuvor hatte der Iran behauptet, dass sich „israelische Militärkräfte“ in Aserbaidschan aufhalten. Baku bestreitet diese Behauptungen.
Unterdessen begannen die iranische Armee und das Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) Militärübungen in den zentralen Regionen des Landes. Dem Bericht zufolge sollen die Übungen vor allem dazu dienen, die Kampfbereitschaft für die Luftverteidigung zu erhöhen.
Zuvor hatte die iranische Armee Übungen in der Nähe der aserbaidschanischen Grenze abgehalten. Nach Angaben der iranischen Seite wurden zusätzliche Kräfte und Ausrüstung an der Grenze zu Aserbaidschan stationiert.
Iran zu Gesprächen mit Baku
Während seines Besuchs in Russland sagte der iranische Außenminister in einem Interview mit dem staatlichen Sender Rossiya 24, er habe im Rahmen der UN-Generalversammlung „freundliche und aufrichtige“ Gespräche mit seinem aserbaidschanischen Amtskollegen Jeyhun Bayramov geführt.
„Was uns im Südkaukasus Sorgen macht: Erstens versuchen einige ausländische Kräfte, die Region dahingehend zu beeinflussen, dass sie ihre Grenzen ändern, Grenzübergänge schließen oder verlegen. Wir stellen auch fest, dass sich während des Krieges Terroristen in Bergkarabach aufgehalten haben. Das werden wir niemals tun. Wir sagen dies, ohne die territoriale Integrität unserer Nachbarn in Frage zu stellen. In Gesprächen mit uns haben aserbaidschanische Beamte versprochen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Region von Terroristen zu befreien“, fügte der iranische Außenminister hinzu.
Der Sprecher des iranischen Außenministeriums Saeed Khatibzadeh erklärte, sein Land nehme die nationale Sicherheit sehr ernst und werde in dieser Frage keine Kompromisse eingehen, da sich die Nachbarn des Irans dessen bewusst seien und starke Botschaften erhalten hätten.
Auf einer Pressekonferenz sagte er, es sei „unnatürlich“, die Beziehungen zwischen Aserbaidschan und Iran zu stören.
„Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind immer einem logischen Prozess gefolgt. Der Iran hat gegenüber der aserbaidschanischen Seite seine Besorgnis geäußert und sie haben gesagt, dass sie auf diese Bedenken eingehen werden. Wir haben der aserbaidschanischen Seite gesagt, dass einige der iranischen Bedenken berücksichtigt werden müssen“, erklärte er.
Die Reaktion des aserbaidschanischen Außenministeriums auf die Erklärung über Bakus „Versprechen“ ist nicht bekannt. Die Organisation sagte jedoch letzte Woche in einer Erklärung, dass sie Behauptungen, Aserbaidschan verfüge über „dritte Kräfte in der Nähe der Grenze zum Iran und nutze diese zu Provokationsversuchen“, nicht akzeptiere und dass diese Behauptungen „unbegründet“ seien.
Bezüglich des Treffens des Ministers in den Vereinigten Staaten erklärte das aserbaidschanische Außenministerium, dass bei dem Treffen festgestellt wurde, dass sich die Zusammenarbeit zwischen Aserbaidschan und dem Iran in allen Bereichen entwickelt. Jeyhun Bayramov informierte seinen iranischen Amtskollegen über die Prozesse der Wiederherstellung, des Wiederaufbaus und der Wiedereingliederung in den befreiten Gebieten, während Hussein Amir Abdullahian das Interesse des Irans an der Entwicklung umfassender Beziehungen zu Aserbaidschan betonte.
Der aserbaidschanische und der iranische Außenminister erörterten den „aktuellen Stand der Beziehungen zwischen den beiden Ländern“.
Der aserbaidschanische Außenminister Jeyhun Bayramov erörterte mit seinem iranischen Amtskollegen Hussein Amir Abdullahian den „aktuellen Stand der aserbaidschanisch-iranischen Beziehungen“.
Wie das aserbaidschanische Außenministerium am 12. Oktober in einem Telefongespräch mitteilte, sprachen die Minister über die in den letzten Tagen geäußerten gegenseitigen Vorwürfe.
„Die Parteien stellten fest, dass die in letzter Zeit beobachtete schädliche Rhetorik nicht dem Niveau der freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern entspricht und dass alle Differenzen im Dialog gelöst werden müssen“, so das Ministerium.
Nach Angaben des Außenministeriums vereinbarten die Minister, Fragen im Zusammenhang mit dem Transit durch Aserbaidschan „durch direkte Kontakte zwischen den zuständigen Regierungsstellen“ zu erörtern.
Während des Telefongesprächs wurden auch andere Themen von beiderseitigem Interesse erörtert.
Die Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Iran und Aserbaidschan waren im September entstanden, nachdem Aserbaidschan begonnen hatte, den Teil der Straße Goris-Kapan zu kontrollieren, der durch sein Hoheitsgebiet führt, indem es die Papiere von Fahrern iranischer Herkunft kontrollierte und sie zur Zahlung von Zollgebühren aufforderte.
Die iranische Regierung wirft Aserbaidschan vor, „zionistische Kräfte“ in den Grenzgebieten zu stationieren und Präsident Ilham Alijew erklärte, dass diese Anschuldigungen unbegründet seien und dass es in diesen Gebieten an der Grenze zum Iran „keine Gebäude“ gebe.
Der Beginn der iranischen Militärübungen an der Grenze zu Aserbaidschan am 1. Oktober hat in Baku für Unmut gesorgt. Präsident Ilham Alijew wies darauf hin, dass solche Übungen während der 30-jährigen Besetzung einiger Grenzgebiete nicht stattgefunden hätten.