Kotscharjan über die Regierungsarbeit und die Vorbereitungen auf Massenproteste
Robert Kotscharjan, ehemaliger armenischer Präsident und amtierender Vorsitzender des armenischen Oppositionsblocks, hat auf einer Pressekonferenz am 27. Dezember die Regierung von Premierminister Nikol Paschinjan kritisiert.
Kotscharjan sagte, die Regierung habe es nicht geschafft, den Lebensstandard zu verbessern, auch wenn sie es versucht habe. Die Armutsquote liege bei 27-30%. „Die Polarisierung zwischen Arm und Reich hat sich in diesem Jahr noch verschärft“, sagte er.
Der Kampf der Regierung gegen COVID-19 sei gescheitert, 103.000 Armenier hätten das Land von Januar bis September verlassen und 34.000 hätten die russische Staatsbürgerschaft angenommen. Er sagte, dass nicht nur oppositionell gesinnte Bürger Armenien verlassen hätten, sondern auch diejenige, die für die Regierung von Paschinjan gestimmt hätten.
Kotscharjan sagte, dass seit 2018 drei Verteidigungsminister gewechselt worden seien, von denen keiner für das Amt geeignet gewesen sei. Außerdem sei in Armenien im Laufe des Jahres zwei Chefs des Generalstabs der Armee ernannt worden seien. „Es hält sich das Gerücht, dass auch der amtierende Chef des Generalstabs ersetzt werden soll. Warten Sie auf einen Bericht in der Zeitung Haykakan Zhamanak (eine regierungsnahe Zeitung, die Paschinjans Familie gehört - Anm.d.Red.), um dies zu erfahren“, sagte er.
Kotscharjan sagte auch, dass die Führung des Verteidigungsministeriums nicht einfach „wie Socken“ gewechselt werden könne. „Diese Regierung ist nicht an einer kampffähigen Armee interessiert, denn wenn es eine kampffähige Armee gäbe, würde unser Volk etwas anderes von der Regierung verlangen. Sie hätten gefordert, dass die Straße nicht aufgegeben wird“, sagte er und bezog sich damit vermutlich auf die Goris-Gapan-Straße, die nach dem Zweiten Bergkarabach-Krieg teilweise unter Aserbaidschans Kontrolle geraten ist.
Kotscharjan sagte, dass die derzeitige Angst der Menschen vor einem möglichen Krieg mit Aserbaidschan die Regierung Dinge tun lasse, die die Armenier ihr sonst nicht erlauben würden. Er deutete auch an, dass „diese Situation in gewissem Maße künstlich geschaffen worden ist“.
Kotscharjan sprach auch von einem „völligen Versagen“ in Bezug auf die Sicherheit Armeniens, da im Jahr 2021 keinerlei Verbesserungen erzielt worden seien.
Er sagte, Meinungsumfragen zeigten, dass bis zu 80 % der Bevölkerung um die Sicherheit besorgt seien. „Das Land ist nicht in der Lage, sich unter diesen Bedingungen zu entwickeln“, sagte er.
Kotscharjan erinnerte daran, dass die Regierung eingeräumt habe, dass mehr als 40 Quadratkilometer armenischen Territoriums zu Beginn des Jahres unter aserbaidschanische Kontrolle geraten seien. Armenien habe jedoch nicht nur die Kontrolle über diese 40-50 Quadratkilometer verloren, sondern über Gebiete, die ein Dutzend Mal größer seien.
Der Einsatz von GPS zur Bestimmung der Grenze zu Aserbaidschan habe dazu geführt, dass aserbaidschanische Truppen entlang der vermeintlichen Grenze aufmarschiert seien und Armenien sich zwischen 500 Meter bis 1-1,5 Kilometer und an manchen Stellen noch etwas weiter zurückziehen musste. Dies sei nicht nur in der Region Vardenis-Araxes geschehen, sondern noch vor dem Krieg mit Baku im Jahr 2020 in der Nähe der aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan.
Kotscharjan sagte auch, dass im Laufe des Jahres 36 Armenier getötet, 30 verwundet und mehr als 30 Soldaten von Aserbaidschan gefangen genommen worden seien, und dass nichts getan worden sei, um die Kampffähigkeit der Armee zu verbessern.
Er sagte, mehr als 30 Soldaten, die im Kampf um zwei oder drei Stellungen gefangen genommen worden seien, deuteten auf ernsthafte Probleme in der Armee hin. Kotscharjan machte die psychologische Wirkung von Paschinjans Äußerungen auf die Soldaten dafür verantwortlich.
Im Laufe des Jahres sei nichts unternommen worden, um die Fähigkeiten der Armee wiederherzustellen, und der Haushalt der Armee lasse nicht darauf hoffen, dass diese Probleme im Jahr 2022 gelöst würden.
Er bezeichnete es als „Schande“, dass die Regierung die genaue Zahl der Toten im Bergkarabach-Krieg 2020 immer noch nicht veröffentlicht habe.
Vorbereitungen für Massenproteste
Darüber hinaus erklärte Robert Kotscharjan, dass angesichts des dramatischen Rückgangs der Zustimmungswerte für die amtierende Regierung in Eriwan Vorbereitungen für Massenproteste im Gange seien.
„Die derzeitige Situation enttäuscht einige unserer Anhänger, die bereit sind zu kämpfen... Wir müssen uns vorbereiten, und wir bereiten uns bereits auf einen Massenaufstand vor“, wurde Kotscharjan zitiert. Er sagte, es müssten angemessene Vorbereitungen getroffen werden, um sicher zu sein, dass ihre Aktionen zum „Erfolg“ führten.
Er erklärte, dass ihm klar sei, dass die Menschen nach den Wahlen in Armenien im Juni 2020 „radikalere Aktionen“ von der Opposition erwarteten, nach denen es, wie er sagte, „einen radikalen Rückgang der Bewertungen der amtierenden Regierung“ gab. Er fügte jedoch hinzu, dass „der Rückgang der Zustimmungswerte für die Regierung sich nicht in die Bereitschaft der Massen verwandelt hat, hart zu kämpfen.“
Kotscharjan sagte auch, dass Armenien aufgehört habe, eine Demokratie zu sein, weil es aufgehört habe, ein Rechtsstaat zu sein, berichtete News.am.
„Der verstorbene nordkoreanische Anführer Kim Jong-Il wäre vor Neid gestorben. So etwas hat es in Armenien noch nie gegeben“, sagte er mit Blick auf die jüngsten Kommunalwahlen in Armenien. Er sagte, die Staatsanwaltschaft sei nicht mehr „der Wächter der Gesetzgebung und der Verfassung“, sondern ein Wächter „eines ‘Farb’-Regierungswechsels“.