Paschinjan spricht über die Beilegung des Karabach-Konflikts
Am 26. Januar hielt der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan in Kapan eine Pressekonferenz ab, auf der er über die Lösung des Bergkarabach-Konflikts sprach, berichtete commonspace.eu.
Er sprach über „das Karabach-Erbe“, welches er vom früheren armenischen Staatschef Sersch Sargsjan geerbt hatte. Pachinjan sagte, dass die Opposition ihn oft beschuldigte, das sargsjanische Erbe in Bezug auf Karabach “vergeudet zu haben”. Er sagte, er wolle, dass diejenigen, die an den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Bergkarabach teilnehmen, öffentlich erklären, ob sie dieses Erbe unterstützen oder nicht.
Er führte weiter aus, dass Sargsjan drei Hauptaspekte auf dem Verhandlungstisch unbehandelt ließ, nämlich:
1) Es muss ein Referendum durchgeführt werden, um den endgültigen rechtlichen Status von Bergkarabach zu bestimmen. Die Abstimmung muss Ausdruck des Willens der gesamten Bevölkerung von Bergkarabach sein und unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen oder der OSZE innerhalb des von den Parteien vereinbarten Zeitrahmens, der rechtsverbindlich ist, stattfinden. Die Volksabstimmung müsse den Normen und Grundsätzen des internationalen Rechts entsprechen. Danach soll volle Regulierung der politischen, handelspolitischen, wirtschaftlichen und humanitären Beziehungen in der Region, Wiederherstellung der gutnachbarschaftlichen Zusammenarbeit, Gewährleistung der vollständigen Stabilität im Südkaukasus erfolgen;
2) Die armenischen Siedler werden fünf Gebiete (Agdam, Füsuli, Dschabrayil, Sangilan und Kubaldi) um Bergkarabach verlassen, während alle [aserbaidschanischen] Vertriebenen mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft in diese Gebiete zurückkehren werden. Die aserbaidschanischen Zivilbehörden werden nach dem Einsatz internationaler Friedenstruppen und dem Abzug der in diesen Gebieten stationierten armenischen Streitkräfte in diese Gebiete einreisen. An den Verwaltungsgrenzen werden internationale Friedenstruppen eingesetzt, mit Ausnahme der Abschnitte, die Teil der Regionen Kalbadschar und Ladschin sind.
3) Gleichzeitig mit dem Erlass der oben genannten Maßnahmen sollte Bergkarabach bis zur endgültigen Lösung ein vorübergehender Status zuerkannt werden, der die Organisation des täglichen Lebens in Bergkarabach gewährleistet.
Paschinjan sprach dann über den aktuellen Stand der Konfliktverhandlungen. „Wir sind bereit für konstruktive, normale Arbeit, so sehr wir verstehen, wie schwierig eine solche Arbeit ist“, sagte er. „Ich habe meinen Kollegen gesagt, dass wir - der Präsident von Aserbaidschan, der [de facto] Präsident der Republik Bergkarabach und der Premierminister der Republik Armenien - jetzt persönlich die Verantwortung für die Zukunft von Frieden und Stabilität in der Region tragen. Dies ist eine persönliche und teilweise auch eine gemeinsame Verantwortung, und es ist eine sehr schwierige Aufgabe, diese Verantwortung zu tragen und sie mit Ehre zu behandeln“, fügte er hinzu.
Paschinjan betonte, dass es keine Geheimhaltung bei den Verhandlungen gebe. Der Stand der Verhandlungen sei in Paschinjans Rede auf der gemeinsamen Tagung des Sicherheitsrates von Armenien und Bergkarabach in Stepanakert im März 2019 beschrieben worden. „In dieser Rede hatte ich unseren Diskussionskreis im Verhandlungsprozess umrissen. Es ist dieser Kreis, über den wir jetzt sprechen. Derzeit ist kein Papier auf dem Tisch, über das wir diskutieren könnten. Und wir müssen zusammenarbeiten, um eine spezifische und fundierte Diskussionsphase zu erreichen“, fügte er hinzu.
Der armenische Regierungschef sagte, Aserbaidschan habe nicht angemessen auf seine Aussage geantwortet habe, dass „jede Möglichkeit der Beilegung des Karabach-Konflikts für die Menschen in Armenien, die Menschen in Bergkarabach und die Menschen in Aserbaidschan akzeptabel sein muss.“
Paschinjan äußerte sich auch zur Möglichkeit, Alijew auf der Münchner Sicherheitskonferenz vom 14. bis 16. Februar zu treffen. „Derzeit gibt es keine Einigung darüber“, sagte er, fügte jedoch hinzu, dass über die Organisation des möglichen Treffens verhandelt werde.
Die Äußerungen von Paschinjan zur Regelung der Bergkarabach-Frage lösten negative Reaktionen der politischen Eliten in Karabach aus.
Der frühere de-facto Ministerpräsident der international nicht anerkannten Bergkarabach-Republik, Araik Harutyunjan, sagte, dass eine solche Option zur Beilegung des Konflikts „inakzeptabel“ sei. Ihm zufolge werden unmittelbar nach den Wahlen in Karabach die Arbeiten zur Entwicklung aller angrenzenden besetzten Regionen und ihrer Siedlungen begonnen.
Ashot Guljan, Sprecher des de-facto Karabach-Parlaments, erklärte, dass “kein Zentimeter Land” zurückgeben werden soll. Ihm zufolge ist die sogenannte Unabhängigkeit von Bergkarabach das Mindestziel, und die Hauptaufgabe ist die Vereinigung mit Armenien. Ashot Guljan fügte hinzu, dass man nicht einmal die Frage der Rückgabe von Gebieten um Bergkarabach diskutieren könne.
Der Oppositionskandidat bei der Wahl des neuen de-facto-Präsidenten von Bergkarabach, Hayk Khanumjan, sagte auch, dass die Rückgabe von Territorien an Aserbaidschan nicht ausgehandelt werden könne.
Ein anderer Kandidat, Ruslan Israeljan, beteiligte sich an den Diskussionen und stellte fest, dass alle besetzten Gebiete „dem Volk von Bergkarabach gehören“. Die Verhandlungen sollten nicht auf gegenseitigen Zugeständnissen beruhen, sondern auf der Anerkennung der Unabhängigkeit Bergkarabachs und dessen angrenzenden Gebieten durch Aserbaidschan.“
Es gab bisher keine offiziellen Reaktionen Aserbaidschans bezüglich der Aussagen von Paschinjan, nur eine Stellungnahme der regierungsnahen aserbaidschanischen Nachrichtenagentur haqqin.az. „Paschinjan sollte nicht mehr über Verhandlungen sprechen. Die Verhandlungen sollten auch für Aserbaidschan als abgeschlossen betrachtet werden. Wenn die Rückgabe der Gebiete vom Tisch ist, warum verschwendet Aserbaidschan dann Zeit für diesen sinnlosen Prozess?“, heißt es in der Stellungnahme.