Paschinjan über die Beziehungen zu Russland, den USA und Georgien
Am 25. April gab der armenische Premierminister Nikol Paschinjan der russischen Zeitung „Nesawisimaja Gaseta“ ein exklusives Interview. Im Gespräch wurde auf das strategische Bündnis zwischen Armenien und Russland, die internationalen politischen Entwicklungen sowie auf die Beziehungen zwischen den USA und Armenien eingegangen.
„In unseren Beziehungen zu Russland kam es zu keinen Veränderungen. Wenn überhaupt irgendwelche Veränderungen stattgefunden haben, dann sind diese ausschließlich positiv“, sagte Paschinjan. „Unsere Position im Rahmen unserer politischen Kontakte unterscheidet sich nicht von der Position, die wir in den öffentlichen Reden zum Ausdruck bringen... Russland ist unser strategischer Partner und Verbündeter. Es ist jedoch wichtig die Tatsache zu berücksichtigen, dass wir unsere eigene innenpolitische Agenda haben, die nicht mit der Russlands oder Weißrusslands oder gar Kasachstans oder Frankreichs übereinstimmt“, sagte er und hob einige „heikle Momente“ wie die intensivierte Partnerschaft Armeniens mit der EU hervor.
Konfrontiert mit der Frage, warum die armenische Regierung die Entscheidung traf, eine humanitäre Mission nach Syrien zu entsenden, was für Kritik seitens der USA sorgte, betonte Paschinjan die Souveränität Armeniens. „Was für uns zählt, ist die Erhaltung unserer Unabhängigkeit und Souveränität. Ohne regionale und internationale Beziehungen können wir sicherlich nicht existieren. Wir sind immer offen für Debatten“, sagte er. Der armenische Regierungschef betonte auch, dass keiner seiner Vorgänger die USA so deutlich wie er kritisiert habe.
Im Interview ging es auch um die Untersuchungshaft für den als russlandnah geltenden ehemaligen Präsidenten Robert Kocharjan und die eventuellen negativen Auswirkungen, die seine strafrechtliche Verfolgung auf die russisch-armenischen Beziehungen haben könnte. Aus der Sicht von Paschinjan seien solche Bedenken das Ergebnis von falschen Einschätzungen der russisch-armenischen Beziehungen unter den russischen Analysten. „Ich habe mehrmals gesagt, dass Russland oft unpopuläre Politiker in Armenien als Freunde gesehen hat, was für Unzufriedenheit sorgte. Ich möchte folgendes sagen: Russlands wahrer Freund in Armenien ist das armenische Volk und nicht der Premierminister oder bestimmte Politiker. Dies sollte berücksichtigt werden, und Russland sollte nicht bestimmte Personen vorrangig behandeln und sich dabei gegen das armenische Volk stellen. Es kann in Armenien keine Regierung geben, die ihr Volk hinrichtet, und das bezieht sich nicht nur auf die Vergangenheit sondern auch auf die Zukunft”, sagte er.
Auch die Beziehungen zwischen Armenien und Georgien wurden im Interview angesprochen als der Journalist den armenischen Regierungschef an die kritischen Äußerungen der Präsidentin Surabischwili bezüglich der Besuche von Bergkarabach-Vertretern in Abchasien und Südossetien erinnerte. Nach Ansicht des Premierministers sind die Beziehungen zwischen den beiden Ländern stabil. Zu den Auswirkungen von territorialen Konflikten auf das Verhältnis zwischen Jerewan und Tiflis sagte Paschinjan: „Es gibt Konflikte in beiden Ländern, und es ist möglich, dass sich diese Konflikte in den armenisch-georgischen Beziehungen widerspiegeln, aber es ist falsch, verschiedene Konflikte in die selbe Kategorie zu packen. Kein Konflikt ist wie der andere, es gibt keine allgemeinen Lösungsformeln - weder in Abchasien und Südossetien noch in Bergkarabach. Und ich denke, die Beziehungen zu Georgien sind ausgezeichnet. Das bedeutet nicht, dass es keine Schwierigkeiten gibt, aber wir haben einen konstruktiven Dialog mit dem georgischen Premierminister, wir haben freundschaftliche Beziehungen (mit Georgien)”, sagte er.
Auch im Gespräch mit dem russischen Fernsehsender RBC kommentierte Paschinjan die russisch-armenischen Beziehungen. Der Premierminister wurde gebeten sich zu den Forderungen nach Einschränkung der Ausstrahlung bestimmter russischer Fernsehsender in Armenien zu äußern. „Ich merke, dass es im Internet Diskussionen darüber gibt, dass russische Fernsehsender einen anti-armenischen Kurs verfolgen. Und wenn sie einen anti-armenischen Kurs verfolgen, dann muss etwas dagegen getan werden“, sagte er zu RBC. Allerdings werde es zu keinen Einschränkungen für die russischen Fernsehsender in Armenien kommen, versicherte Paschinjan.
In einem Interview mit CivilNet wurde Nikol Paschinjan darauf hingewiesen, dass nach der Samtenen Revolution ein gewisses Misstrauen der russischen politischen Eliten gegenüber Armenien bestehe, da viele Anhänger von Paschinjan aus der Zivilgesellschaft kamen, welche enge Verbindungen zu internationalen (nicht-russischen) Organisationen pflegte. „...Ich möchte sehr deutlich sein. Ja, es gibt ein Problem mit der Wahrnehmung innerhalb der Elite Russlands im Bezug auf die Geschehnisse in Armenien – in Hinblick auf die Volksrevolution und die Menschen, die durch diese Volksrevolution an die Macht kamen. Und wer sind diese Leute? Es sind Menschen, die in der Vergangenheit in der politischen Opposition oder politische Aktivisten waren. In vielen Fällen mussten sich diese Menschen im öffentlichen Sektor niederlassen...und dieser öffentliche Sektor wurde von internationalen Organisationen finanziert, einschließlich von internationalen Organisationen, die in Russland und dem postsowjetischen Raum negativ wahrgenommen werden“, antwortete er. Laut Paschinjan hat sich in Russland deshalb Misstrauen gegenüber einigen armenischen Beamten gebildet, aber er ist überzeugt, dass „dieses Misstrauen mit der Zeit überwunden werden wird“.