Zehnter Tag des neuen Bergkarabach-Krieges

Militärische Entwicklungen 

Am 7. Oktober erklärte der Sprecher des armenischen Verteidigungsministeriums Artsrun Hovhannisjan, dass die Kämpfe gestern Abend und am Morgen des 7. Oktober fortgesetzt wurden.

Er sagte auch, dass Aserbaidschan im Tal des Araks-Flusses Kräfte ansammelt, um militärische Operationen durchzuführen. In diesem Zusammenhang forderte das armenische Verteidigungsministerium den Iran dazu auf, die Aktionen der aserbaidschanischen Truppen zu verfolgen und ihnen nicht zu erlauben, den Fluss zu überqueren. Ihm zufolge machten die Einheiten der De-facto-Verteidigungsarmee von Bergkarabach in nördlicher Richtung ebenfalls bedeutende Bewegungen und führten wichtige Positionsverbesserungen durch. „Im Allgemeinen gehen die Kämpfe in allen Richtungen weiter… Unsere Truppen erringen weiterhin selbstbewusst Siege an verschiedenen Fronten. Die Schlachten sind schwierig, schwer, der Feind setzt große Kraft und Technik ein“, fügte Hovhannisjan hinzu.

Eine weitere Sprecherin der armenischen Verteidigungsministerium, Shushan Stepanjan, kündigte die Verbesserung der Positionen der Verteidigungsarmee in Bergkarabach an. Sie berichtete, dass infolge des Gegenangriffs in nördlicher Richtung die Anhöhe des Varangatag (Lulasaz) zurückerobert worden sei. An einem Tag verloren 80 armenische Soldaten ihr Leben, so dass sich die militärischen Gesamtverluste nun auf mehr als 300 belaufen. Laut armenischen Angaben sind bisher etwa 400 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, vier Smerch- und Uragan-Mehrfachstartraketensysteme (MLRS), drei TOS-1A MLRS sowie 124 UAVs, vierzehn Hubschrauber und siebzehn Kampfflugzeuge der aserbaidschanischen Armee zerstört worden. In Bezug auf zivile Opfer wurde berichtet, dass während des Konflikts bisher 21 Menschen starben und 82 verwundet wurden. 

Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium berichtete, dass armenische Streitkräfte Dörfer in den Regionen Terter, Barda, Aghdam, Aghjabadi, Füsuli und Jabrayil beschossen haben. Es wurde auch berichtet, dass ein Zivilist während des Beschusses der Region Aghdam starb. Darüber hinaus berichtete das aserbaidschanische Verteidigunsminsterium, dass die armenische Seite versucht habe, die Ölpipeline Baku-Tiflis-Ceyhan anzugreifen. Das armenische Verteidigungsministerium widerlegte diese Informationen. Das Ministerium berichtete auch, dass die Streitkräfte seit des Neuausbruches des Konflikts bis zu 250 gegnerische Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge, 270 Artilleriegeschütze, Mehrfachraketensysteme und Mörser; 60 Luftverteidigungsgeräte; elf Kommandokontroll- und Kommandobeobachtungsposten; acht Munitionsdepots; 150 Fahrzeuge; und ein S-300 Flugabwehr-Raketensystem zerstört haben. .

Aserbaidschans Generalstaatsanwalt Kamran Alijew erklärte, dass bis heute 28 Zivilisten gestorben sind und weitere 144 Menschen in unterschiedlichem Ausmaß Körperverletzungen erlitten haben. Darüber hinaus sind 66 zivile Objekte und 427 Wohngebäude durch Beschuss unbrauchbar gemacht worden. Kamran Alijew gab auch bekannt, dass sechs Unternehmen während des Konflikts an illegalen Geschäftstätigkeiten beteiligt waren, darunter Operationen in den Gebieten Bergkarabachs wie illegaler Bergbau, Ausbeutung von Gold- und anderen Metallerzvorkommen, Verkauf von Stören und schwarzem Kaviar, Stromerzeugung, illegal Verkauf von Uhren und Bankaktivitäten. Es wurde berichtet, dass diese Unternehmen eine Zahlung in Höhe von 306.821.000 Manat erhielten und dass zwölf Personen auf die Fahndungsliste gesetzt wurden. Darüber hinaus gab es Grund zu dem Verdacht, dass sich eine Gruppe von Personen seit 2002 in den Gebieten von Bergkarabach aufhält, Objekte von historischem, wissenschaftlichem und kulturellem Wert geplündert und andere illegale Handlungen während archäologischer Ausgrabungen in der Azykh-Höhle begangen hat.

Politische Entwicklungen 

Der armenische Premierminister Nikol Paschinjan gab Sky News ein Interview, indem er sagte, dass die Situation für Bergkarabach und Armenien zu einem „Kampf gegen den internationalen Terrorismus“ werde. Er fügte hinzu, dass er vor einem Problem stehe, das lange vor seiner Amtszeit bestand. Die jüngste Explosion der Feindseligkeiten zwischen Armenien und Aserbaidschan bezeichnete er als zivilisatorisches Problem. In Bezug auf den Verhandlungsprozess sagte Paschinjan, dass die De-facto Behörden von Bergkarabach und Armenien ebenso bereit seien, Zugeständnisse zu machen, wie Aserbaidschan dazu bereit ist, Zugeständnisse zu machen. 

Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew führte ein Interview mit dem russischen Ersten Kanal. Er sagte, dass der Konflikt in Bergkarabach nicht über die Grenzen von Aserbaidschan und Armenien hinausgehen sollte, und betonte, dass sich der Konflikt nicht einmal auf das Gebiet Armeniens erstreckt. Er fügte hinzu, dass Aserbaidschan am Ende der Phase der militärischen Konfrontation an den Verhandlungstisch zurückkehren werde. Alijew sagte auch, dass Armenien Versuche unternimmt, den Konflikt zu internationalisieren, indem es die OVKS und die europäischen Länder in die Konfrontation hineinzieht. 

Er wies auch darauf hin, dass die politische Beilegung des Bergkarabach-Konflikts durch Garantien der weltweit führenden Länder unterstützt werden sollte, während ihre Zusammensetzung möglicherweise nicht auf die Ko-Vorsitzenden der OSZE-Minsk-Gruppe - Russland, Frankreich und die Vereinigten Staaten - beschränkt ist. „Wenn wir über Frieden sprechen, sehe ich es zunächst als eine politische Lösung, die umfassend, langfristig und nachhaltig wäre und ernsthafte Garantien der führenden Länder enthält, die sowohl für Aserbaidschan als auch für Armenien akzeptabel sind,” sagte er.

Internationale Reaktionen

Russlands Präsident Wladimir Putin sagte in einem Interview mit Rossiya-24, dass Russland seiner Verpflichtung gegenüber Armenien als OVKS-Mitgliedstaat nachkommen und in den Konflikt eingreifen würde, wenn Armenien angegriffen wird. Derzeit würden jedoch keine militärischen Operationen auf dem Territorium von Armenien durchgeführt. Er forderte so bald wie möglich einen Waffenstillstand in Bergkarabach. 

Während der Anhörungen im Europäischen Parlament zur Lage in Bergkarabach sagte der Leiter des außenpolitischen Dienstes der EU, Josep Borrell, dass es unter den Bedingungen der Eskalation des Konflikts möglich ist, dass regionale Akteure in den Konflikt einbezogen werden. „Dies kann die Stabilität der Region ernsthaft beeinträchtigen. Ich habe diese Situation mit dem russischen Außenminister und mit dem türkischen Außenminister - zwei wichtigen regionalen Akteuren - besprochen und betont, dass die regionalen Mächte auf Rhetorik und Maßnahmen verzichten müssen, die den Konflikt anheizen könnten“, sagte er. 

In einem Interview mit der italienischen Nachrichtenagentur Agenzia Nova betonte der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu, dass „die einzig gangbare Lösung des Konflikts [der] vollständige Abzug der armenischen Streitkräfte aus den besetzten aserbaidschanischen Gebieten im Einklang mit dem Völkerrecht ist”. Er merkte an, dass mehr als nur ein weiterer Waffenstillstand erforderlich sei, und forderte „einen klaren Aufruf an Armenien, seinen Expansionismus aufzugeben”. „Wenn Armenien sich dafür entscheidet, ein konstruktiver und verantwortungsbewusster Partner für den Frieden in der Region zu werden, auch im Bezug auf Aserbaidschan, hat es viel zu gewinnen”, sagte er. 

Der iranische Präsident Hassan Rouhani erklärte, dass „die Rechte des aserbaidschanischen Volkes respektiert werden sollten” und dass die territoriale Integrität Aserbaidschans gewährleistet werden sollte, der Konflikt jedoch nicht auf militärische Weise gelöst werden kann.

 

Siehe auch

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