Ermittlungen gegen Ex-Regierungsmitglieder in Armenien
Im Rahmen der Ermittlungen über die Niederschlagung der Proteste in Jerewan am 1. März 2008 hat die armenische Generalstaatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Verteidigungsminister, Sejran Oganjan, eingeleitet. Dies gab die armenische Generalstaatsanwaltschaft am 14. Januar bekannt. 2008 war Oganjan Leiter des Generalstabs Armeniens.
Ähnlich wie der verhaftete ehemalige Präsident Armeniens, Robert Kotscharjan, wird Oganjan des „Sturzes der Verfassungsordnung“ beschuldigt.
Oganjan selbst bezeichnete die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als „grundlos“. In seinem Statement wies er unter Anderem auf die geleakten Mitschnitte der Telefongespräche zwischen dem Leiter des Nationalen Sicherheitsdienstes und dem Leiter des Sonderermittlungsdienstes Armeniens hin, die aus seiner Sicht die Einflussnahme durch die Regierung auf die Justiz beweisen (Caucasus Watch berichtete).
Sejran Oganjan, der am Bergkarabach-Krieg aktiv teilnahm und von 2008 bis 2016 das armenische Verteidigungsministerium leitete, erinnerte an seine Verdienste für Armenien. Er beklagte außerdem, dass das Justizsystem verfassungswidrig handele. Die Justiz dürfe nicht auf Belangen oder unter Einfluss des öffentlichen Drucks der Straße vollzogen werden, so Oganjan.
Nach der opferreichen dreitägigen Konflikteskalation in Bergkarabach im April 2016 wurde Sejran Oganjan aus dem Amt entlassen. Daraufhin wechselte er in die Opposition, sein Wahlbündnis scheiterte allerdings mit 2,7% bei der Parlamentswahl 2017.
Seit der so genannten „samtenen Revolution“ in Armenien wird im „1.März-Fall“ neu ermittelt. So wurde der ehemalige Leiter der Ermittlungsgruppe, Waagn Arutjunjan, bereits verhaftet. Den ehemaligen Verteidigungsminister, Mikael Arutjunjan, gegen den auch wegen des „Sturzes der Verfassungsordnung“ ermittelt wird, konnten die armenischen Behörden nicht festsetzen, weil er bereits die russische Staatsangehörigkeit angenommen hat und in Russland lebt.
Die Ermittlungen gelten aus mehreren Gründen als politisch brisant. Denn der heutige Premierminister, Nikol Paschinjan, hatte als einer der engsten Vertrauten des gescheiterten Präsidentschaftskandidaten, Ter-Petrosjan, die Proteste 2008 mitorganisiert und musste unter Sersch Sargsjans Regierung wegen Unruhestiftung zwei Jahre in Haft sitzen. Eine Revidierung der Ermittlungsergebnisse im „1. März-Fall“ war eines seiner Versprechen während der Revolution im Frühling 2018.
Dass nun Paschinjan die ehemalige Regierungselite strafrechtlich verfolgen lässt, kommt vor allem in Russland schlecht an. Denn der nun inhaftierte Ex-Präsident, Robert Kotscharjan, gilt nicht nur als gefährlicher Gegner der neuen Regierung, sondern auch als enger Freund von Wladimir Putin und russlandtreuer Politiker im Allgemeinen. So hat ihm Putin im Dezember zu Weihnachten gratuliert und „Unerschütterlichkeit“ gewünscht. Auch zu seinem 60. Geburtstag rief Putin Kotscharjan an. Der russische Außenminister Lawrow kritisierte indirekt die Verhaftung Kotscharjans und sprach sogar von „politischer Vendetta“ in Armenien.