Stratfor: Washington richtet seine Aufmerksamkeit auf den Südkaukasus
Das große Bild
In seiner Jahresprognose 2018 schrieb Stratfor, dass die Kaukasus-Region von größeren Mächten, die strategische Interessen in der Region verfolgen, stärker beeinflusst werden wird. Die Entscheidung eines wichtigen US-Offiziellen, die Region bei wachsenden Spannungen mit Russland und dem Iran zu bereisen, spiegelt diesen Trend wider.
Was ist passiert?
Zum ersten Mal spricht der amerikanische Sicherheitsberater John Bolton die drei Länder des Südkaukasus direkt an. Bolton besuchte Aserbaidschan am 24. Oktober, wo er Präsident Ilham Aliyev traf und die Bedeutung der Rolle Aserbaidschans auf dem internationalen Energiemarkt unterstrich. Einen Tag später besuchte Bolton Armenien, um den amtierenden Premierminister Nikol Paschinjan zu treffen und den Berg-Karabach-Konflikt zu diskutieren. Der US-Offizielle wird seine Tour mit einem Besuch in Georgien am 26. Oktober abrunden.
Warum es wichtig ist
Die Kaukasus-Region ist ein großer Energiekorridor und eine geopolitische Bruchlinie, in der sich Russland, der Westen und der Nahe Osten kreuzen, und wo zahlreiche externe Mächte um Einfluss wetteifern. Während die Trump-Regierung sich in der Region relativ ruhig gehalten hat, haben verschiedene Faktoren die Region in Washingtons Blickpunkt gerückt, einschließlich der wachsenden Spannungen der USA mit dem Iran.
Bei seinen Treffen mit Beamten in Aserbaidschan und Armenien sprach Bolton von der Notwendigkeit, den Iran „einzuquetschen", und bemerkte, dass die Vereinigten Staaten "maximalen Druck auf den Iran ausüben wollten, weil er das Streben nach Atomwaffen nicht aufgegeben habe". Bolton betonte, die USA würden "sehr energisch" Sanktionen gegen den Iran verhängen, und Washington wolle die transkaukasischen Länder dabei unterstützen. Aserbaidschan wird in dieser Hinsicht besonders wichtig sein, da Baku selten gute Beziehungen zu Teheran hatte. Darüber hinaus ist das Land geschickt darin, seine Position basierend auf dem politischen Klima in den Vereinigten Staaten und den sich entwickelnden geopolitischen Bedingungen der Region anzupassen.
Russland, der mächtigste externe Akteur in der Kaukasusregion, ist ein weiterer wichtiger Faktor, der Boltons Besuch in der Region prägt. Die Reise des Nationalen Sicherheitsberaters kommt unmittelbar nach seinem Besuch in Russland, wo der Plan der USA, aus dem INF-Vertrag auszutreten, die Tagesordnung bestimmte. Der geplante Rückzug Washingtons hat zu Spannungen mit Moskau geführt, die sich in einem verschärften Wettbewerb um umstrittene Grenzgebiete wie die Kaukasus-Region äußern dürften.
Boltons Besuch hat diesen Wettbewerb unterstrichen. Die Trump-Regierung werde auch die Möglichkeit eines Waffenverkaufs an Armenien überdenken, bemerkte Bolton und fügte hinzu: "Ich denke, es vermehrt die Möglichkeiten Armeniens, wenn es nicht vollständig von einer Großmacht abhängig ist." Boltons Aussagen sind bedeutsam, insbesondere weil Jerewan in militärischen Angelegenheiten strategisch mit Moskau verbunden ist (5.000 russische Soldaten sind in Armenien stationiert) und alle seine Waffen aus Russland bezieht. Dennoch haben sich in der Beziehung zwischen Moskau und Jerewan Risse gebildet, seit Paschinjan durch die kürzlich Protestbewegung der „Samtenen Revolution“ im Mai in Armenien an die Macht katapultiert wurde.
Was liegt vor uns?
Die Spannungen dürften kaum einen Bruch der strategischen Beziehungen zwischen Armenien und Russland bewirken, und Jerewan würde mit einer Reihe von Hindernissen konfrontiert sein, wenn es seine Sicherheitsbeziehungen mit Washington ausbauen wollte. Nichtsdestotrotz haben die Vereinigten Staaten einen offenkundigen Versuch unternommen, einen wichtigen russischen Verbündeten abzuwerben - vielleicht als Teil der Bemühungen, die neu entstehende Kluft zwischen den beiden Ländern auszunutzen. Vor diesem Hintergrund scheint sich die Kaukasusregion als ein zunehmend wichtiger Faktor in Washingtons Überlegungen herauszukristallisieren, insbesondere wenn das Gebiet das Potenzial hat, die Streitereien der USA mit Russland und dem Iran zu beeinflussen.