Berlin: Paschinjans Thesen zum Bergkarabach-Konflikt
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel am 1. Februar in Berlin erklärte der armenische Ministerpräsident, Nikol Paschinjan, dass die mangelnde Bereitschaft von Aserbaidschan, die international nicht anerkannte Republik von Bergkarabach als eine der Parteien des Bergkarabach-Konflikts anzuerkennen, die Hoffnung auf Fortschritte beim Verhandlungsprozess dämpfen würde. „Ich habe bereits gesagt, dass eine Lösung des Konflikts für die Völker Armeniens, Bergkarabachs und Aserbaidschans akzeptabel sein sollte. Ich hatte gehofft, dass aus Aserbaidschan eine ähnliche Erklärung folgt. Leider haben wir so etwas noch nicht gehört. Da es keine entsprechenden Aussagen aus Aserbaidschan gibt, haben wir leider keine großen Hoffnungen, dass wir in diesem Prozess voranschreiten werden“, sagte Paschinjan. Während der selben Pressekonferenz sprach Paschinjan allerdings von zwei Konfliktparteien: „Wir haben auch über den derzeitigen Zustand der Regelung des Bergkarabach-Konfliktes gesprochen, und es wurde von beiden Seiten bestätigt, dass der Prozess, der sich da abspielt, beidseitig - gemeint sind natürlich die beiden Konfliktseiten - erfolgen soll“. Auch Bundeskanzlerin Merkel sprach in ihrer Rede von zwei Konfliktparteien: „[...] Natürlich muss das auf Reziprozität beruhen. Es kann nicht sein, dass nur eine Seite guten Willen zeigt; vielmehr muss das von beiden Seiten ausgehen“.
Zwei Tage vor der Pressekonferenz brachte Paschinjan beim Treffen mit der armenischen Diaspora in Köln zum Ausdruck, dass die Formel für die Konfliktlösung „Land für Frieden“ nicht zur Debatte stehe.
Nikol Paschinjans jüngste Äußerungen zum Konflikt sorgten für scharfe Kritik aus Baku. Die Pressesprecherin des aserbaidschanischen Außenministeriums, Leyla Abdullayeva, verwies auf die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, in denen ein sofortiger Abzug der armenischen Truppen aus den besetzten Gebieten gefordert wird. In allen im Zusammenhang mit der Konfliktlösung angenommenen Dokumenten und den Vorschlägen der Ko-Vorsitzenden der OSZE Minsk-Gruppe sei nicht die Rede vom „Volk“ von Bergkarabach, sondern von der Bevölkerung armenischer und aserbaidschanischer Herkunft, so Abdullayeva.
Der ehemalige Außenminister Aserbaidschans, Tofig Zulfugarow, meint, dass Paschinjans Äußerungen in Berlin faktisch keine Chance für eine friedliche Lösung des Konflikts lassen. Vielmehr zeugten sie von der wachsenden Radikalisierung seiner Position. „Diese Erklärung des armenischen Ministerpräsidenten richtet sich in erster Linie an Offizielle in Baku und zweitens an das interne Publikum. Das ist eine sehr ernste Erklärung, die in der Tat ein Stoppschild für alle Versuche zur Wiederaufnahme der Verhandlungen ist... Nun ist nicht ganz klar, auf welcher Grundlage dieser Frieden aufgebaut werden soll“, so der ehemalige Außenminister.
Seit der “Samtenen Revolution” in Armenien wächst die Hoffnung in der internationalen Gemeinschaft, dass der Machtwechsel in Jerewan den Friedensgesprächen zwischen den verfeindeten südkaukasischen Staaten neuen Schwung verleihen würde. In der Tat herrschte in den letzten Monaten relative Ruhe an der Waffensillstandlinie. Eine „Hotline“ zwischen den Militärs der beiden Länder wurde nach einem kurzen Treffen zwischen Nikol Paschinjan und dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew eingerichtet. Die Außenminister der beiden Länder trafen sich bereits viermal innerhalb der vergangenen sechs Monate. Zuletzt kamen die beiden Minister in Paris zusammen, wonach sie erklärten, dass sie „sich auf die Notwendigkeit geeinigt haben, konkrete Maßnahmen zur Vorbereitung der Bevölkerung auf den Frieden zu ergreifen“. Das nächste Treffen der aserbaidschanischen und armenischen Außenminister soll unter Beteiligung der Ko-Vorsitzenden der OSZE Minsk-Gruppe im Februar durchgeführt werden.
Die Region Bergkarabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, jedoch wird sie von Armenien, das sich als Schutzmacht für die Karabach-Armenier sieht, militärisch besetzt. Die Bundesregierung betrachtet Bergkarabach und sieben umliegende Gebiete als Teil der Republik Aserbaidschan.
Aktuell werden die besetzten Gebiete fast ausschließlich von Armeniern bewohnt. Die aserbaidschanische Bevölkerung wurde aus der Region im Laufe des armenisch-aserbaidschanischen Krieges in den 90-er Jahren vertrieben. Die Minsker Gruppe der OSZE unter dem Ko-Vorsitz Russlands, Frankreichs und der USA, vermittelt seit 1994 bei der Suche nach einer friedlichen Lösung des Konflikts, ein Erfolg steht bisher aus.