Angela Merkel im Südkaukasus: Ergebnisse

Letzte Woche absolvierte Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Kaukasusreise. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse im Überblick.

Besuch unter Freunden in Georgien

Am 23. August besuchte die Bundeskanzlerin im Rahmen ihrer Kaukasusreise Georgien. Merkel war seit August 2008 zum ersten Mal in Tiflis. Damals kam sie für einen eintägigen Besuch für die Konfliktgespräche nach dem August-Krieg zwischen Russland und Georgien. Während des diesjährigen Besuchs der Bundeskanzlerin wurde über die Situation in den von Russland besetzten georgischen Regionen, die europäische Integration des Landes und die Vertiefung der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen gesprochen.

EU-Annäherung Georgiens

Bundeskanzlerin Merkel hob die Bemühungen Georgiens bei der EU-Integration hervor und unterstrich die Bedetung des Ausbaus der Beziehungen zwischen der EU und Georgien. „Georgien ist ein sehr wichtiger Partner im Rahmen der Östlichen Partnerschaft: Es gibt das Assoziierungsabkommen, das Freihandelsabkommen, die Erweiterung und Stärkung der Beziehungen zwischen unseren Ländern“, antwortete die Bundeskanzlerin auf eine Frage zur Rolle Deutschlands auf dem Weg des Landes in die EU. Angela Merkel unterstützte die Einstufung Georgiens als sicheres Herkunftsland. Sie verwies auf die vorübergehende Erhöhung der Zahl der georgischen Asylbewerber, die nach dem Inkrafttreten der Visaliberalisierung nach Deutschland gekommen waren. Die Bundeskanzlerin stellte aber auch fest, dass die Zahl der Asylbewerber dank den von der georgischen Regierung getroffenen Maßnahmen nun abnehme. Georgiens Ministerpräsident Mamuka Bachtadse versprach seinerseits, dass seine Regierung sich weiter dafür einsetzen werde, den Zuzug von Asylbewerbern aus Georgien zu verringern.

Jedoch dämpfte Bundeskanzlerin Merkel die Hoffnung Georgiens ein als es um einen möglichen Beitritt zur Europäischen Union in absehbarer Zeit ging. Man wolle eine engere Zusammenarbeit, sagte Merkel bei einer Diskussion mit den georgischen Studenten. „Aber wir dürfen auch von europäischer Seite nicht zu viel zu schnell versprechen“, kommentierte sie die Frage nach dem Zeitpunkt eines möglichen EU-Beitritts. Es gehe nicht nur darum, dass Georgien die Kriterien für eine Aufnahme in die EU erfüllen müsse. „Die EU muss auch in der Lage sein, neue Länder aufzunehmen“, betonte Merkel. Georgiens Ministerpräsident Bachtadse sagte, dass Georgien sich als Teil der europäschen Zivilisation sehe. „Aber wir haben keine Illusionen. Wir haben noch viel zu tun“, sagte er.  

Wirtschaftliche Zusammenarbeit

Die Bundeskanzlerin sagte auf der Pressekonferenz mit dem georgischen Premierminister, dass Georgien einen „sehr gut geführten Wirtschaftspfad“ verfolge. „Das Wirtschaftswachstum in Georgien ist offensichtlich... Ich denke, wir können in verschiedenen Bereichen zusammenarbeiten. Der Premierminister wies auch darauf hin, dass die Zusammenarbeit zwischen kleinen und mittleren Unternehmen der beiden Länder wichtig ist. Die Wirtschaftsminister der beiden Länder sollten häufiger Treffen abhalten. Unsere Zusammenarbeit sollte intensiver werden, wir sollten unsere Erfahrungen miteinander teilen“, sagte Merkel. „Wir begrüßen die Aktivitäten aller deutschen Unternehmen in Georgien. Neben erfolgreichen Projekten wollen wir die bilaterale Zusammenarbeit noch stärker ausbauen, mehr deutsche Investitionen in Georgien sehen und parallel zu großen deutschen Unternehmen Beziehungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen fördern“, sagte Bachtadse am Wirtschafts-Roundtable unter Teilnahme der georgischen und deutschen Wirtschaftsvertreter sowie der Bundeskanzlerin.

Zwei Abkommen zwischen Deutschland und Georgien im Gesamtwert von 193 Millionen Euro sind wohl das wichtigste Ergebnis des Kanzlerin-Besuchs.  Die Abkommen sehen den Bau eines unterirdischen Gasspeichers in Georgien und die Entwicklung eines modernen Abwassersystems vor.

Ausdrückliche Unterstützung für Georgiens territoriale Integrität

Merkel erinnerte an ihre Reise nach Georgien vor zehn Jahren kurz nach dem Krieg zwischen Georgien und Russland. Schon damals habe sie den Abzug der russischen Truppen gefordert. Auch heute stehe sie zur territorialen Integrität Georgiens. Die Präsenz russischer Truppen in den beiden abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien sei eine Ungerechtigkeit, die nicht vergessen werde. Das Wort Besatzung ging ihr zuerst nicht über die Lippen. Erst den Studierenden der Universität Tiflis gelang es am Freitagmorgen, Merkel ein klares Statement zu entlocken. In einem Gespräch mit georgischen Studenten sagte sie, dass Russland einen Teil des Landes besetzt habe und sie keine Sorge hätte auch zu sagen, dass es eine Besatzung sei. Die Studenten reagierten mit Applaus auf die Worte der Bundeskanzlerin. Allerdings hat Merkel keinen konkreten Lösungsansatz gegen Russlands Besatzungspolitik präsentiert. Man müsse versuchen zu verhindern, dass aus der Besatzung ein Dauerzustand werde. Gleichzeitig gab sie aber zu bedenken, dass man in den letzten zehn Jahren keinen Schritt vorangekommen sei.

Bundeskanzlerin Merkel reiste außerdem an die Grenze zu den von Russland besetzen Gebieten Georgiens, um sich über Situation an der Grenzregion und die Arbeit der EU-Beobachtermission vor Ort zu informieren.

Ein Kennenlernbesuch in Armenien  

Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen

In der Republik Armenien, die seit der „samtenen Revolution“ im Frühling dieses Jahres von einer neuen Regierung geführt wird, traf sich die Bundeskanzlerin am 24. August mit dem Premierminister Nikol Paschinjan und dem Staatspräsidenten Armen Sarkisjan. Merkel erklärte, dass die Bundesrepublik ihre Beziehungen mit Armenien weiter ausbauen werde, insbesondere, im Bereich Informationstechnologien und Bildung. In Armenien seien derzeit 150 deutsche Unternehmen tätig, der Handelsumsatz ist in diesem Jahr bisher um 41% im Vergleich mit den ersten sieben Monaten des Jahres 2017 gewachsen und beträgt nun 171 Mio. Euro. 

Visaliberalisierung und Kooperation mit der EU

Merkel sagte, dass sich Deutschland für die Visaliberalisierung mit Armenien einsetzen werde. Eine Liberalisierung der Visumpflicht für Armenier für die EU und Deutschland stehe jedoch in engem Zusammenhang mit der Frage, wie bei Asyl- und Migrationsfragen Fortschritte erzielt werden können. Armenien sei ein gutes Beispiel, wie ein Land sowohl mit der Europäischen Union als auch mit Russland erfolgreich zusammenarbeiten könne.

„Das Leiden des armenischen Volks wird nicht vergessen werden“

Kanzlerin Merkel hat in Jerewan die Gedenkstätte Zizernakaberd besucht. Dort erinnerte sie an das Massaker, dass an den Armeniern im ersten Weltkrieg begangen wurde. "Wir wissen sehr wohl, welche Grausamkeiten den Armeniern 1915/16 zugefügt wurden", zitierte Regierungssprecher Steffen Seibert Merkel. "Dieses Leiden wird nicht vergessen werden." Den Begriff „Völkermord“ mied sie jedoch. Der Bundestag hatte diese Gräueltaten im Juni 2016 als Völkermord eingestuft.

Ergebnisse des Besuchs in Aserbaidschan

Ihren letzten Stopp im Kaukasus machte die Bundeskanzlerin in Aserbaidschan. Bei einem gemeinsamen Presseauftritt mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Alijew am 25. August sprach die Bundeskanzlerin über die wirtschaftliche Kooperation mit dem öl- und gasreichen Land, auf das 66% des deutschen Handelsvolumens in der Region entfällt, aber auch über die Menschenrechtssituation und den Konflikt um Bergkarabach.

Wirtschaft

Mit Aserbaidschan habe Deutschland den wichtigsten und den größten Wirtschaftsaustausch in der Region. Es sei im Interesse Aserbaidschans, seine Wirtschaft zu diversifizieren und hier könne Deutschland einen wichtigen Beitrag leisten, so die Kanzlerin. „Auf der anderen Seite ist Aserbaidschan für die Europäische Union ein wichtiger Faktor zur Diversifizierung ihrer Energiebezugsquellen und deshalb ist die Eröffnung des Südlichen Gaskorridors eine gute Botschaft für die Energieversorgung der Europäischen Union“, erklärte die Kanzlerin. „Wir schätzen auch die Eisenbahnverbindung Baku-Tiflis-Kars sehr, die natürlich auch eine Brücke zwischen Europa und Asien darstellt und den Handelsaustausch um einiges besser macht“, sagte Merkel. Alijew erklärte seinerseits, dass Aserbaidschan bereit sei, Gaslieferungen nach Europa zu erhöhen und die Kapazitäten der Gaspipelines entsprechend auszubauen. Auf eine Nachfrage zur Transkaspischen Pipeline, durch die Gas aus Turkmenistan nach Europa gelingen könnte, reagierte er zurückhaltend. Eine Entscheidung über diese Pipeline solle vor allem vom Besitzer des Gases, in diesem Fall Turkmenistan, getroffen werden. Die potentiellen Transitländer, zu denen Aserbaidschan zählt, müssten hier keine Initiativen vorbringen, so Alijew.

Menschenrechte

Auch die im Westen kritisierte Situation der Menschenrechte in der Kaukasusrepublik sprach Angela Merkel an. Sie habe mit Alijew über die Frage der inneren Situation in Aserbaidschan gesprochen, und die Menschenrechtsfrage in Aserbaidschan „in einer offenen Atmosphäre“ beredet. Hier gebe es „nicht bei allen Fragen eine gemeinsame Haltung“. Merkel habe sich jedoch für eine starke Zivilgesellschaft mit deutlichem Säkularismus eingesetzt und klargemacht, dass diese starke Zivilgesellschaft von Deutschland gewünscht werde.  Außerdem hat sich die Bundeskanzlerin in der Residenz des deutschen Botschafters mit zivilgesellschaftlichen Vertretern getroffen.

Sicherheit

Auch der Konflikt um Bergkarabach zwischen Armenien und Aserbaidschan war auf der Agenda der bilateralen Gespräche in Baku. Laut Merkel könnte die Tatsache einer neuen Regierung in Armenien die Friedensverhandlungen zwischen Baku und Jerewan in Schwung bringen. Jedenfalls liege es im deutschen Interesse, den Konflikt zu lösen und Berlin sei bereit, sich als Mitglied der Minsker Gruppe der OSZE miteinzubringen, so Merkel. Die aserbaidschanische Zeitung „Zerkalo“ vermutet in diesem Zusammenhang, dass eine stabile Sicherheitslage im Kaukasus vor allem für die deutschen Energieinteressen in der Region wichtig sei.

 

Siehe auch

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