Armenien: Wachsende Unzufriedenheit mit dem Zustand der armenisch-russischen Beziehungen
Am 31. Januar veröffentlichte das Internationale Republikanische Institut (IRI) seinen jüngsten Bericht über die öffentliche Meinung zu wichtigsten sozialpolitischen Themen in Armenien.
Das Institut führte die Umfrage zwischen dem 22. November und dem 5. Dezember 2021 mit einer Stichprobe von 1.512 Personen mit ständigem Wohnsitz in Armenien durch.
Den Umfrageergebnissen zufolge sind 46 % der Befragten der Meinung, dass sich das Land in die falsche Richtung entwickelt, während 34 % der Meinung sind, dass sich das Land in die richtige Richtung entwickelt. 20 % hatten keine Meinung zu diesem Thema. Was die wichtigsten Themen des Landes betrifft, so wurden die territoriale Integrität Armeniens und die Grenzprobleme mit Aserbaidschan von 34 % der Befragten als wichtigstes Thema genannt (28 % Erstnennung, 6 % Zweitnennung), gefolgt von Wirtschaft/Arbeitslosigkeit (4 % Erstnennung, 13 % Zweitnennung) und der nationalen Sicherheit des Landes (15 % Erstnennung, 2 % Zweitnennung).
In Bezug auf die staatlichen Institutionen des Landes wurde der armenische Menschenrechtsbeauftragte (Ombudsmann) als die Institution hervorgehoben, der am meisten Vertrauen entgegengebracht wird. 68 % der Befragten äußerten sich zufrieden mit der Arbeit der Institution (35 % sehr zufrieden, 33 % eher zufrieden). Neben dem Büro des Ombudsmanns genossen auch die armenische Polizei (68 %), die Kommunalverwaltungen (63 %) und die Streitkräfte (58 %) ein hohes Maß an Vertrauen bei der armenischen Bevölkerung. Die Institutionen, denen das meiste Misstrauen entgegengebracht wird, sind die Nationalversammlung (67 %, wobei 50 % der Befragten mit der Arbeit der Institution absolut unzufrieden sind), die Führung der armenischen Armee (54 %) und das Büro des Präsidenten (53 %).
In Bezug auf die Außenpolitik und die Beziehungen Armeniens zu anderen Ländern wurde Frankreich als das Land hervorgehoben, mit dessen Beziehungen die armenischen Bürger am zufriedensten sind (92 %, wobei 49 % angaben, dass die Beziehungen sehr gut seien), gefolgt vom Iran (80 %) und den Vereinigten Staaten von Amerika (77 %). Die Umfrage zeigt, dass die Unzufriedenheit mit der Entwicklung der Beziehungen zwischen Armenien und Russland zunimmt. Nur 15 % der Befragten gaben an, dass die Beziehungen zwischen Armenien und Russland „sehr gut“ seien, und liegen damit noch hinter China (75 %) und der Europäischen Union (69 %), sowie der Gesamtzufriedenheit mit dem Stand der Beziehungen (53 %). Andererseits wurde Russland nach wie vor als wichtigster politischer, wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Partner Armeniens genannt (57 %, 61 % bzw. 64 %), gefolgt von Frankreich (50 %) und den USA (38 %) in politischer Hinsicht, Iran (40 %) und China (29 %) in wirtschaftlicher Hinsicht sowie Frankreich (32 %) und Iran (31 %) in sicherheitspolitischer Hinsicht. Russland wurde auch als das Land genannt, zu dem Armenien seine Beziehungen für die Entwicklung des Landes am meisten verbessern muss (53 %), gefolgt von den USA (35 %) und dem Iran (29 %).
Aserbaidschan (94 %) und die Türkei (91 %) wurden als die Länder genannt, zu denen Armenien schlechte Beziehungen unterhält. Die Umfrage zeigte auch, dass die Türkei als größere politische (90 %), wirtschaftliche (68 %) und sicherheitspolitische (88 %) Bedrohung wahrgenommen wurde als Aserbaidschan (77 %, 52 %, 81 %), wobei Russland an dritter Stelle der Bedrohungen genannt wurde (15 %, 17 %, 11 %). Die Umfrage zeigte jedoch auch, dass die armenischen Bürger die Aufnahme bilateraler Beziehungen zur Türkei befürworten. 63 % der Befragten stimmten zu, dass Armenien einen Dialog mit der Türkei aufnehmen und die bilateralen Beziehungen normalisieren sollte, während die Türkei den Völkermord an den Armeniern anerkennen sollte. 60 % der Befragten gaben an, dass die Aufnahme bilateraler Beziehungen mit der Türkei an armenische Vorbedingungen geknüpft werden sollte, z. B. dass die Türkei die Friedensverhandlungen in Bergkarabach nicht behindert.
Ein besonderer Teil der Umfrage war dem Status von Bergkarabach nach dem Krieg gewidmet. 96% der Befragten gaben an, dass die Lösung des Bergkarabach-Konflikts für die Zukunft Armeniens in den nächsten 10 Jahren wichtig sei. 56% der Befragten gaben an, dass Armenien seine militärischen Kapazitäten stärken muss, während es den Frieden anstrebt, 28% erklärten, dass Armenien den Frieden erreichen muss, aber darauf vorbereitet sein muss, sich im Falle eines erneuten Ausbruchs des Krieges zu verteidigen, während nur 13% der Befragten die Option bevorzugten, dass das Land seine militärischen Kapazitäten ohne Friedensbestrebungen stärken sollte. Die Anerkennung Bergkarabachs als unabhängiger Staat wurde als die wünschenswerteste Lösung des Konflikts hervorgehoben. 35 % der Befragten sprachen sich für diese Option aus, gefolgt von einer Vereinigung mit Armenien (34 %) und der Schaffung einer autonomen Region innerhalb Armeniens (16 %).
Die Umfrage umfasste auch Fragen zu den armenisch-aserbaidschanischen Beziehungen nach dem Krieg, insbesondere zur Grenzziehung und -demarkierung sowie zur möglichen Aufnahme von Wirtschaftsbeziehungen. 25 % der armenischen Bürger antworteten, dass der Prozess der Grenzziehung und -demarkierung nach der endgültigen Beilegung des Bergkarabach-Konflikts und der Unterzeichnung eines Friedensabkommens mit Aserbaidschan eingeleitet werden sollte. 16 % waren der Ansicht, dass der Prozess erst nach der Wiederherstellung der Streitkräfte des Landes eingeleitet werden sollte, während ebenfalls 16 % angaben, dass es nicht im Interesse des Landes sei, den Prozess einzuleiten. Die Öffnung der Verkehrswege zwischen den beiden Ländern wurde von den Befragten ebenfalls negativ beurteilt. 59 % stimmten zu, dass sich dies negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung Armeniens auswirken würde, während 27 % eine positive Meinung zu diesem Thema vertraten.