Armenische Regierung besorgt über den möglichen Zusammenbruch des Gesundheitssystems

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Am 4. Juni warnte der armenische Gesundheitsminister Arsen Torosjan, dass armenische Krankenhäuser möglicherweise bald nicht mehr alle infizierten Personen aufnehmen können, die dringend behandelt werden müssen. 

„Täglich, sozusagen fast manuell, bringen wir Patienten in den vorhandenen Krankenhausbetten unter", sagte er. „Es ist sehr wichtig, dass wir einen erheblichen Rückgang der [Infektions-] Zahlen verzeichnen, damit wir … diesen Prozess fortsetzen können. Sonst wird es sehr schwierig sein, all das sicherzustellen“, fügte er hinzu. Torosjan bemerkte auch, dass es einen gefährlichen Trend gibt, wenn Covid-19-Fälle in Industrieobjekten registriert werden und dass kurz darauf große Ausbrüche folgen.

Torosjan wurde von der Oppositionspartei Helles Armenien heftig kritisiert, als diese erklärte, die armenischen Behörden hätten im Kampf gegen das Coronavirus versagt. Torosjan erinnerte hingegen daran, dass die Parlamentarier von Helles Armenien die Ausweitung des Ausnahmezustands, die Einführung eines IT-Systems zur Erkennung von Kontaktpersonen und das Tragen von Masken entschieden ablehnten. Außerdem habe die Opposition die Wiederaufnahme des Transports gefordert, der das riskanteste Gebiet darstellt, und die Angemessenheit einer Isolierung von potenziellen Covid-19-Trägern in Hotels in Frage gestellt, was die Pandemie im Land nur schlimmer gemacht hätte als sie schon war. Torosjan sagte auch, dass das Gesundheitssystem in Armenien jahrzehntelang nicht ausreichend finanziert worden sei, indem es nur 1,4% des armenischen BIP erhalte. 

Der armenische Premierminister Nikol Paschinjan sprach öffentlich darüber, dass das Gesundheitssystem bereits Schwierigkeiten hat, mit der Situation umzugehen. „Wenn ... die Gesamtzahl der infizierten Menschen 10.000 überschreitet, wird alles sehr kompliziert. Wir haben den Punkt erreicht, an dem unser Gesundheitssystem bereits Probleme hat, damit umzugehen“, sagte er. Die Hauptgefahr laut Paschinjan waren asymptomatische Patienten. „Wir wissen mit Sicherheit, dass es im Land jetzt 20.000 bis 30.000 asymptomatisch infizierte Menschen gibt, die nichts über ihre Infektion wissen, sie aber verbreiten. Solche Menschen sind überall, daher müssen Sie alle um Sie herum als potenziell infiziert behandeln und alle erforderlichen Schutzregeln befolgen“, fügte Paschinjan hinzu. Zwei Tage später am 7. Juni sprach der armenische Regierungschef bereits von 100.000 asymptomatisch infizierten Menschen. 

„Ich komme zu dem Schluss, dass es weltweit keine Sicherheits- oder Verwaltungsbehörde gibt, die das Problem dieser Größenordnung lösen kann", erklärte Paschinjan in einer Videoadresse, die live auf Facebook übertragen wurde. „Dies ist nicht nur ein organisatorisches Problem. Selbst wenn dies der Fall ist, kann keine Struktur, nicht einmal die Regierung, dieses Problem lösen, es sei denn, jeder von uns betrachtet dieses Problem als sein eigenes“, fügte er hinzu.

Auf der folgenden Regierungssitzung betrachteten Paschinjnan und sein politisches Team einige Szenarien möglicher wirtschaftlicher Konsequenzen für Armenien nach dem drastischen Anstieg der Covid-19-Fälle. Eines dieser Szenarien beinhalte die Möglichkeit, die internationalen Partner Armeniens mit einer Bitte um Unterstützung anzusprechen, die derzeit erforderlich ist. Die Vereinigten Staaten stellten bereits Armenien 5,4 Millionen US-Dollar an neuer Hilfe zur Bekämpfung der Epidemie zur Verfügung. Die US-Botschafterin in Armenien, Lynne Tracy, äußerte sich ebenfalls besorgt über die wachsende Zahl von Coronavirus-Fällen im Land und lobte die verstärkten Bemühungen der armenischen Regierung, die Menschen dazu zu bringen, soziale Distanz zu üben, Masken zu tragen und Hände zu waschen. 

Am 7. Juni wurden im Land 766 neue Fälle registriert, was die größte Anzahl neuer Fälle an einem einzigen Tag für Armenien ist. Die Gesamtzahl der infizierten Personen beträgt 13310, während die Zahl der gemeldeten Todesfälle liegt bei 200.

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