Bergkarabach: Alijew und Erdogan schlagen eine Zusammenarbeit im Südkaukasus mit sechs Nationen vor

Nach der Siegesparade am 10. Dezember in Baku sprachen der türkische Präsident Erdogan und sein aserbaidschanischer Amtskollege Alijew ein neues Kooperationsformat mit den Ländern des Südkaukasus an (Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Iran Russland und die Türkei).

„Es gibt eine traditionelle Zusammenarbeit zwischen der Türkei, Aserbaidschan und Georgien. Gleichzeitig besteht eine Zusammenarbeit zwischen Aserbaidschan, Russland und dem Iran. Die Türkei, Russland und der Iran arbeiten auch zusammen. Mit anderen Worten, wir können alle diese Kooperationsplattformen zusammenfassen und eine einzige Plattform entwickeln. Wenn die armenische Führung die richtigen Schlussfolgerungen aus dem Krieg zieht, auf ihre unbegründeten Ansprüche verzichtet und nach vorne schaut, können sie auch an dieser Plattform teilnehmen. Dafür sind wir offen“, sagte Ailjew.

„Wir müssen ein neues Kapitel aufschlagen. Wir müssen die Feindschaft beenden. Wir haben nicht angefangen. Wir haben einfach 30 Jahre auf die Unterstützung internationaler Organisationen gewartet und auf die Unterstützung von den drei Ko-Vorsitzenden der Minsk Gruppe. Wir haben auf die Umsetzung der Resolutionen des UN-Sicherheitsrates gewartet. Aber es ist nichts passiert. Die Situation die weder Krieg noch Frieden war ging einfach weiter, der Status quo ging weiter. Wir haben diesen Status quo mit militärischen Mitteln geändert, den Feind aus unserem Land vertrieben, ihm einen spürbaren Schlag versetzt, seine Armee und ihre wichtigsten ideologischen Säulen zerstört. Aber was haben wir danach gemacht? Danach sagten wir, wir seien bereit zu kooperieren. Durch die Schaffung eines neuen Formats der Zusammenarbeit können wir das künftige Kriegsrisiko in der Region auf Null reduzieren“, fügte Alijew hinzu.

Ähnliche Ideen äußerte Erdogan, der dieser neuen Kooperationsplattform große Bedeutung beimisst. „Wie sieht diese sechsseitige Plattform aus? Russland, die Türkei, Aserbaidschan, der Iran, Georgien und Armenien - wenn Armenien dies akzeptiert und offen ist - kann es auch einen Platz auf dieser Plattform bekommen. Es gibt also Pläne, durch eine Sechs-Parteien-Plattform einen regionalen Frieden aufzubauen. Natürlich gibt es Herausforderungen, die den Ländern der Region bevorstehen. Dies umfasst Infrastruktur, Politik, Diplomatie und viele andere Themen“, sagte Erdogan. „Im Falle der Schaffung neuer Möglichkeiten wird Armenien offensichtlich stark davon profitieren. Armenien wird derjenige sein… der den größten Nutzen daraus zieht“, fügte er hinzu.

Erdogan betonte, dass er keine persönlichen Probleme mit dem armenischen Volk habe. „Wir wollen auch die Türen nach Armenien nicht schließen, weil wir zu Friedenstauben werden und friedliche Schritte unternehmen wollen. Darüber hinaus haben wir keine Probleme mit dem armenischen Volk. Unser Problem ist mit der armenischen Regierung. Es gibt über hunderttausend Armenier in meinem Land. Unter ihnen sind diejenigen, die unsere Staatsbürgerschaft erhalten haben, und diejenigen, die dies nicht getan haben. Aber wir behandeln sie als Gäste in unserem Land. Warum? Weil wir keine Abneigung gegen Menschen haben. Ziel ist insbesondere die Bildung und Stärkung dieses Friedens. Wir müssen entsprechend handeln“, fügte er hinzu.

Es wurde auch bekannt gegeben, welche bilateralen Dokumente zwischen Alijew und Erdogan unterzeichnet wurden, bevor die Siegesparade in Baku stattfand. Insgesamt wurden fünf Dokumente unterzeichnet: 1) das Protokoll der Vereinbarung zwischen der Baku Transport Agentur und der BMC Automobil Industrie und Handelsfirma; 2) das Protokoll der Vereinbarung zwischen der Aserbaidschanischen Autobahn-Staatsbehörde und dem Unternehmen BMC.AZ; 3) das Memorandum zur Verständigung zwischen der Entwicklungsagentur für kleine und mittlere Unternehmen in Aserbaidschan und dem Investitionsbüro der türkischen Präsidentschaft; 4) das Memorandum zur Verständigung über die strategische Zusammenarbeit zwischen der Republik Aserbaidschan und der Republik Türkei im Bereich der Medien; und 5) das Protokoll Nr. 1 zwischen der Regierung Aserbaidschans und der Regierung der Türkei über Änderungen des Abkommens über die Aufhebung von gegenseitigen Visapflichten zwischen der Regierung Aserbaidschans und der Regierung der Türkei.

Offizielle Reaktionen kamen auch aus Eriwan nach den Aussagen von Alijew und Erdogan während und nach der Siegesparade. Der Sprecher des armenischen Premierministers Mane Gevorgjan verurteilte Alijews Worte dafür, den regionalen Frieden und die Stabilität zu untergraben, nachdem Alijew erneut einen Großteil des international anerkannten Territoriums Armeniens als „historisches aserbaidschanisches Land” bezeichnet hatte. Sie sagte, dass die Erklärung territoriale Ansprüche gegenüber Armenien darstelle, die „die Bereitschaft Aserbaidschans zum Frieden ernsthaft in Frage stellen und den Frieden und die Sicherheit in der Region gefährden”. Gevorgjan verurteilte auch Alijews Behauptung, Baku habe mit seinem Sieg im jüngsten Bergkarabach-Krieg eine militärische Lösung für Bergkarabach erreicht. Sie sagte, dies unterstreiche nur die Notwendigkeit einer internationalen Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Bergkarabach-Armenier.  

Der Vorsitzende des armenischen Parlamentsausschusses für Wirtschaftsfragen, Babken Tunjan, äußerte sich ebenfalls zu dem Vorschlag von Alijew und Erdogan. „Ich möchte Sie daran erinnern, dass Armenien seit vielen Jahren Mitglied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit am Schwarzen Meer ist und diese 12 Länder umfasst, darunter die Türkei, Aserbaidschan, Georgien, die Ukraine, Russland und andere Länder. Armenien sollte seinen Interessen Vorrang einräumen. Wenn die Teilnahme an einer Plattform diesen Interessen entspricht, sollte das Land teilnehmen, wenn nicht, dann sollte es nicht teilnehmen“, sagte er.

In der Zwischenzeit sprach die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Zakharowa, auch über einen möglichen Dialog zwischen Baku und Eriwan. Sie merkte an, dass es angesichts der Heterogenität der Region und der tiefen Widersprüche zwischen den Nachbarn notwendig sei, nach Wegen zu suchen, um die Interessen der Parteien zu vereinen. „Unserer Meinung nach sollten wir uns auf die Umsetzung verschiedener für beide Seiten vorteilhafter Optionen für die Synergie von Handels-, Verkehrs- und Energiemöglichkeiten der Region verlassen. Und natürlich besteht kein Zweifel daran, dass die Agenda… Kontakte zwischen Geschäftsleuten, Wissenschaftlern und Vertretern der Zivilgesellschaft aufbauen und festigen sollte. Eine der möglichen Interaktionsmöglichkeiten sind gegenseitige Reisen von Journalisten. Übrigens sind auch die Erfahrungen der letzten Jahre verfügbar. Ich denke, dies ist der richtige Schritt in Richtung eines nachhaltigen Friedens zwischen den Völkern Armeniens und Aserbaidschan “, fügte sie hinzu.

Zakharowa kommentierte auch die erwartete Freigabe der Verkehrskommunikation in der Region und den Bau von Verkehrsverbindungen zwischen Aserbaidschan und der Exklave Nachitschewan. „Wie Sie verstehen, ist die Aufhebung der wirtschaftlichen Beziehungen und der Aufbau neuer Kommunikation ein langer Prozess, an dem viele spezialisierte Strukturen beteiligt sind. Die Hauptprobleme werden von den Behörden Armeniens und Aserbaidschans gelöst, und speziellen Mechanismen die sich nach unserem Kenntnisstand gebildet haben, um auf aufkommende Probleme in der Post-Konflikt-Phase zu reagieren“, sagte sie. Laut Zakharowa ist die vielversprechendste Richtung heute die Wiederherstellung der Eisenbahnverbindung. Zuvor hatte sich der Pressesprecher des russischen Präsidenten Dmitri Peskow geweigert, die Aussage des Präsidenten von Aserbaidschan, Ilham Alijew, zu kommentieren, dass die Präsidenten der Russischen Föderation und der Türkei positiv auf die Idee reagiert hätten, einen Korridor zwischen Nachitschewan und den westlichen Regionen Aserbaidschans zu schaffen.

Siehe auch

"Caucasus Watch" sucht lokale Experten aus Georgien, Armenien, Aserbaidschan und der Nordkaukasus-Region. Wir bieten eine flexible Form der Zusammenarbeit, eine angemessene Vergütung und Zugang zu einer europaweiten Leserschaft. Senden Sie Ihren Lebenslauf, ein Bewerbungsschreiben und eine Arbeitsprobe an redaktion@caucasuswatch.de. Für Fragen: i.dostalik@caucasuswatch.de.

Wir verwenden Cookies, um unser Angebot für Sie zu verbessern. Mehr Informationen dazu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.