Bergkarabach: Armenien verhärtet seine Position

Ungewöhnlich deutlich fiel die am 9. März veröffentlichte Erklärung der Minsker Gruppe der OSZE bezüglich der aktuellen Situation im Bergkarabach-Konflikt aus. Die Minsker Gruppe vermittelt seit 1994 unter dem Ko-Vorsitz Frankreichs, Russlands und der USA im langjährigen Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach. Zwar haben die Vermittler angekündigt, dass bald ein Treffen zwischen dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew und dem armenischen Regierungschef Nikol Paschinjan stattfinden werde. Gleichzeitig riefen sie aber die Konfliktparteien dazu auf, „Aussagen und Handlungen zu unterlassen, die bedeutende Änderungen der Situation vor Ort nahelegen, das Ergebnis oder die Bedingungen für zukünftige Gespräche vorwegnehmen und einseitige Änderungen des Formats ohne Zustimmung der anderen Partei zu fordern oder Bereitschaft signalisieren, aktive Feindseligkeiten zu erneuern“. Die Ko-Vorsitzenden stellten in der gemeinsamen Erklärung fest, dass eine gerechte und dauerhafte Regelung auf den Kernprinzipien der Schlussakte von Helsinki basieren müsse. Dazu gehören insbesondere die Nichtanwendung oder Androhung von Gewalt, die Achtung der territorialen Integrität, sowie die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker.

Die Lösung sollte laut den Ko-Vorsitzenden auch zusätzliche Elemente enthalten, wie sie von den Präsidenten der Ko-Vorsitzenden-Länder zwischen 2009 und 2012 vorgeschlagen wurden. Der Vorschlag soll folgende Voraussetzungen umfassen: die Rückgabe der Gebiete um Bergkarabach an die aserbaidschanische Seite; ein vorläufiger Status für Bergkarabach, welcher Garantien für Sicherheit und Selbstverwaltung bietet; ein Korridor, der Armenien mit Bergkarabach verbindet; zukünftige Bestimmung des endgültigen rechtlichen Status von Bergkarabach durch rechtsverbindliche Willensäußerung; das Recht aller Binnenvertriebenen und Flüchtlinge, an ihre früheren Wohnorte zurückzukehren sowie internationale Sicherheitsgarantien, die eine Friedenssicherungsoperation beinhalten würden.

Die Erklärung der Minsker Gruppe enthält ein politisches Signal an die armenische Führung. Denn die Ko-Vorsitzenden haben sich damit gegen die mehrfachen Forderungen des armenischen Premierministers Nikol Paschinjan positioniert. Paschinjan beharrte darauf, die international nicht anerkannte Republik von Bergkarabach in den Verhandlungsprozess als gleichberechtigte Konfliktpartei miteinzubeziehen. Außerdem lehnte er bei einem Treffen mit der armenischen Diaspora in Köln das Lösungsmodell „Land für Frieden“ grundsätzlich ab. Der Leiter des armenischen Staatssicherheitsdienstes, Artur Wanezjan, versprach bei seinem kürzlichen Besuch in Füzuli (ein von armenischen Truppen besetztes Gebiet Aserbaidschans, das an der Waffenstillstandslinie außerhalb von Bergkarabach liegt), dass man an Aserbaidschan „keinen Zentimeter Land abgeben werde“. Außerdem besprach er mit der Führung von Bergkarabach die Umsetzung des Siedlungsprogramms in den besetzten Gebieten Aserbaidschans, damit diese von Armeniern besiedelt werden können. Gleichzeitig hat der armenische Verteidigungsminister Davit Tonojan einen Wechsel der armenischen Militärstrategie angedeutet. Sein Land sei bereit einen Angriffskrieg gegen Aserbaidschan zu führen, falls es zu erneuten Kampfhandlungen zwischen den beiden Ländern kommen sollte.

In der internationalen Gemeinschaft stößt diese spürbare Verhärtung der armenischen Position offenbar auf Unverständnis. Noch vor der besagten Erklärung der Minsker Gruppe hatte sich auch der EU-Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen, Johannes Hahn, beim Treffen mit Nikol Paschinjan in Brüssel offen gegen die Änderung des bestehenden Verhandlungsformats ausgesprochen.

Wie die armenische Zeitung „168 Stunden“ berichtet, hat das Statement der Minsker Gruppe den armenischen Regierungschef Nikol Paschinjan nun in eine komplizierte Lage geführt. Der Premierminister sei in eine Sackgasse geraten, da er weder auf seine Äußerungen bezüglich der Teilnahme von Bergkarabach an den Verhandlungen verzichten noch an den Verhandlungen, bei denen dieses Thema nicht auf der Tagesordnung stünde, teilnehmen könne. Um die Lage zu besprechen, habe Paschinjan eine Sitzung des Sicherheitsrates in Bergkarabach einberufen. Laut der Zeitung könnte die Abhaltung der Sitzung des Sicherheitsrats in Bergkarabach ein Versuch sein den Eindruck zu erwecken, dass die nicht anerkannte Bergkarabach-Republik doch unmittelbar an den Verhandlungen teilnehme.  Doch nach dem Treffen in Bergkarabach bekräftigte Paschinjan seine Position: Bergkarabach müsse als Hauptkonfliktpartei bei den Verhandlungen anerkannt werden, da er selbst als Premierminister Armeniens nicht über das Mandat verfüge, die Armenier von Bergkarabach zu vertreten. Laut dem britischen Analysten Thomas De Waal ist Paschinjans Forderung bezüglich der Miteinbeziehung von Bergkarabach in den Verhandlungsprozess jedoch eher ein Trick, um Zeit zu gewinnen.

Aserbaidschan hat die jüngste Erklärung der Minsker Gruppe ausdrücklich begrüßt. Aber auch Baku scheint bereit zu sein, seine Position zu verhärten. Am 12. März hat das Land  großangelegte viertägige Militärübungen gestartet. Circa 10 000 Soldaten, 500 Panzer und Fahrzeugen, 300 Artillerie- und Raketensysteme sowie 20 Kampfflugzeuge und Hubschrauber nehmen am Manöver teil. In diesem Kontext warnen Experten, dass mit dem Einsetzen des Frühlings auch die Gefahr steige, dass der oft als „eingefroren“ bezeichnete Bergkarabach-Konflikt aufgetaut werden könnte.

Autor: Mamuka Gelaschwili, Georgien

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