Bergkarabach-Armenier setzen sich für die Freilassung von Robert Kotscharjan ein

In einem gemeinsamen Schreiben riefen Bako Saakjan und Arkadi Gukasjan (der ehemalige und der amtierende Präsident der selbsternannten Bergkarabach-Republik) den armenischen Generalstaatsanwalt Artur Dawtjan dazu auf, die Haftmaßnahme gegen den ehemaligen armenischen Präsidenten Robert Kotscharjan zu revidieren, damit er an den bevorstehenden Veranstaltungen in Bergkarabach teilnehmen kann (am 9. Mai wird in Bergkarabach der Jahrestag der Besetzung der Stadt Schuscha gefeiert). Sie äußerten  ihre Bereitschaft, die „notwendigen und angemessenen Garantien” zu geben, um seine Freilassung aus der Haft bis zum Ende des Gerichtsverfahrens zu ermöglichen, berichtet Tert.am. Die Freilassung Kotscharjans wäre eine „Botschaft der Solidarität und der Einheit” für die armenische Gesellschaft und die gesamte Welt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Armeniens reagierte auf den Appell der Bergkarabach-Vertreter mit Unverständnis. Solange das Strafverfahren dem Gericht vorliegt, ist das Büro des Generalstaatsanwalts nicht mehr für den Fall zuständig. Daher liegt die Erörterung des Antrags nicht im Zuständigkeitsbereich der Generalstaatsanwaltschaft”, hieß es in der Erklärung.

Der öffentliche Aufruf von Saakjan und Gukasjan löste eine Debatte aus, inwiefern dieser Schritt politisch motiviert war. Ruben Rubinjan, der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten im armenischen Parlament, bestreitet, dass die Bitte politische Auswirkungen haben könnte: „Ich denke, dass  ich das nicht beurteilen sollte. Die genannten Personen haben sich an den Generalstaatsanwalt Artur Dawtjan gewandt und er ist derjenige, der darauf reagieren sollte. Es ist überhaupt keine Frage der Politik”. Vielmehr sei es eine rechtliche Angelegenheit, so Rubinjan. Noch kürzer fasste sich die Chefin der „Mein Schritt”-Fraktion Lilit Makunts. Sie lehnte es grundsätzlich ab, Fragen im Bezug auf Bergkarabach zu kommentieren, berichtete Aysor.am.

Der armenische Regierungschef, Nikol Paschinjan, warnte die de-facto-Behörden von Bergkarabach vor der Einmischung in die inneren Angelegenheiten Armeniens.

Robert Kotscharjan war von 1998 bis 2008 Präsident von Armenien, zuvor war er von 1994 bis 1997 Präsident der nicht anerkannten Bergkarabach-Republik gewesen. Die strafrechtliche Verfolgung des zweiten Präsidenten begann nach der „Samtenen Revolution“ in Armenien. Gegen ihn wird derzeit wegen des „Sturzes der Verfassungsordnung“ im Kontext der Präsidentschaftswahl 2008 ermittelt. Im März 2008 ließ Kotscharjan, der damals Staatschef war, Massenproteste der Opposition gegen die Wahlfälschungen niederschlagen. Dabei wurden zehn Menschen getötet und hunderte weitere verletzt. Der heutige Premierminister, Nikol Paschinjan, wurde als einer der Organisatoren der Proteste zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen und verbrachte zwei Jahre im Gefängnis.

Am 26. Juli 2018 beschuldigte der Sonderermittlungsdienst (SIS) Armeniens Ex-Präsidenten Kotscharjan des „Sturzes der Verfassungsordnung“ in den letzten Wochen seiner Amtszeit im Jahr 2008. Am 27. Juli 2018 wurde er verhaftet, was eine negative Reaktion Moskaus zur Folge hatte. Am 13. August 2018 wurde die Haftmaßnahme gegen ihn als unrechtmäßig aufgehoben, weil er präsidiale Immunität genießt. Dagegen klagte der Sonderermittlungsdienst und am 7. Dezember 2018 wurde Kotscharjan aufgrund eines neuen Urteils des Berufungsgerichts wieder festgenommen. Das Gericht lehnte es am 7. Februar 2019 ab, ihn aus der Haft zu entlassen. Am 3. Mai wurde das gesamte Vermögen Kotscharjans in Armenien (abgesehen von seiner Rente) beschlagnahmt.

Robert Kotscharjan stammt aus Bergkarabach. Er und seine Anhänger, die überwiegend der ehemaligen Regierungspartei RPA (Republikanische Partei Armeniens) angehören, verurteilen das Vorgehen der neuen Regierung aufs Schärfste und bezeichnen diese als „politische Verfolgung“. Im Regierungslager spricht man hingegen von einer gerechten und umfassenden Untersuchung, welche in der Ära von Kotscharjan und seinem Nachfolger Sersch Sargsjan nicht möglich gewesen wäre.

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