Das Parlament von Armenien wird aufgelöst

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Berichterstattung von Anna Vardanyan für Caucasus Watch

Es war vorgesehen, dass das armenische Parlament während einer Sondersitzung am 1. November Nikol Pashinjan, den einzigen Kandidaten, nicht als Premierminister der zweiten und letzten Runde, wiederwählen würde. Keiner der Abgeordneten stimmte gegen oder für ihn, während sich 13 Abgeordnete enthielten. Laut der Verfassung wird das Parlament gesetzesmäßig aufgelöst, da der Premierminister nicht in zwei Runden gewählt wurde. Dies wird das erste Mal in der Geschichte der Republik Armenien sein, dass ein Parlament aufgelöst wird. Die gesetzgebende Körperschaft wird nun offiziell durch einen unterzeichneten Beschluss des Präsidenten hin aufgelöst, welcher sofort wirksam wird.

Nach einer Abstimmung im Parlament erklärte der Premierminister am 1. November den Reportern, dass am 9. Dezember vorgezogene Parlamentswahlen abgehalten werden. Er wies auch darauf hin, dass das neue Wahlgesetz die Wahlen „politischer“ gemacht hätte, da dieses die Wahlmöglichkeiten auf ein breiteres Spektrum politischer Kräfte ausgeweitet hätte. Er schloss auch nicht aus, dass er im Falle der Bereitschaft der parlamentarischen Kräfte sich nicht dagegen stellen werde, das Änderungspaket zum Wahlgesetzes erneut auf die Tagesordnung der Nationalversammlung zu setzen.

Es sei daran erinnert, dass die Verabschiedung der Änderungsanträge zum Wahlgesetz in der außerordentlichen Sitzung der Nationalversammlung am 29. November zum zweiten Mal gescheitert ist. Insgesamt stimmten 62 Abgeordnete dafür und zwei dagegen, nur eine Stimme fehlte für die Änderungen der Wahlgesetze. Dies bedeutet, dass die politischen Kräfte an den bevorstehenden Parlamentswahlen im Dezember unter dem alten Wahlgesetz teilnehmen werden, welches noch immer das Bewertungssystem enthält.

Die Verabschiedung dieses Gesetzes wurde als wichtige Voraussetzung für faire und transparente Parlamentswahlen angesehen, aber aufgrund der Dringlichkeit der Schnellwahlen gab es keine ausreichende Debatte darüber und es gab keine Zeit, um es von internationalen Organisationen prüfen zu lassen.

Der Leiter der EU-Delegation in Armenien, Botschafter Piotr Świtalski, drückte sein Bedauern über die Nichtverabschiedung des Wahlgesetzes aus. Er stellte jedoch fest, dass dieses Versagen keinen Einfluss auf das Engagement der Delegation hat, die das Land bei den anstehenden Wahlen unterstützen wolle. „Es ist wirklich bedauerlich, weil das Änderungspaket zum Wahlgesetz vom Präsidenten der Venedig-Kommission positiv bewertet wurde. Zu den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen gehörten auch die Vorschläge vom Europarat. Wir sind der Meinung, dass dies eine verpasste Gelegenheit ist, das Wahlgesetz von Armenien zu verbessern. “Dennoch äußerte der EU-Botschafter das Vertrauen, dass diese Änderungen früher oder später angenommen werden, da sie sehen, wie stark die Regierung an den demokratischen Prozessen interessiert ist.

Der Präsident der Venedig-Kommission, Gianni Buquicchio, sagte am 1. November den Reportern in Jerewan, dass die vom Parlament vorgeschlagenen und abgelehnten Änderungen nach den Wahlen erneut geprüft werden und die Venedig-Kommission wird ihren bestmöglichen Beitrag zu einer Wahlgesetzgebung leisten. Er sehe keine Probleme, wenn die Wahlen unter dem geltenden Recht abgehalten werden. "Ich hätte es vorgezogen, dass alles mehr Zeit gegeben wird, aber wir werden auch die spezifische Situation in Armenien und die Notwendigkeit einer Klärung der Situation berücksichtigen", fügte er hinzu. „Die Wahlen klären die Situation. Wenn die gegenwärtige Übergangsregierung die Wahlen gewinnen wird, wird sie eine parlamentarische Mehrheit haben und in der Lage sein, das Land gut zu regieren […]. Gestern hatte ich Gespräche mit den Behörden. Der Eindruck war, dass sie sich verpflichtet haben, die Situation in Armenien zu ändern, um eine stabile politische Szene zu schaffen. “

Gianni Buquicchio beschuldigte die ehemalige armenische Regierung, die 2015 angenommene Verfassung als Mittel zur Aufrechterhaltung der Macht zu sehen. In seiner Rede erklärte er: "Die Venedig-Kommission schätzte die Verfassungsreformen von 2015 sehr. Die armenischen Bürger waren jedoch mit dieser Verfassung unzufrieden und es kam zur Samtenen Revolution. Ich glaube nicht, dass die Einschätzung der Venedig-Kommission falsch war. Das Problem ist, dass die Verfassung von der Regierung als taktisches Werkzeug zur Aufrechterhaltung der Macht gesehen wurde“.

Inzwischen werden hitzige Debatten darüber geführt, dass das neue Wahlgesetz nicht angenommen wurde und es zweckmäßig ist, unter den alten Bestimmungen zu den Wahlen zu gehen. Viele sehen nur im Bewertungssystem Unterschiede zwischen dem neuen und dem alten Regelwerk der Wahlen, und übersehen die Tatsache, dass es Oligarchen und regionalen Behörden Schlupflöcher eröffnet, um wieder in das Parlament einzutreten. Nach einer Analyse der Tageszeitung „Hraparak“ war Paschinjan selbst nicht von der Verabschiedung des neuen Wahlgesetzes angetan und hat sich nicht in den Prozess eingeschaltet, wodurch das derzeitige Gesetz indirekt gestärkt wurde. So löste Paschinjan zwei Probleme in dem er zunächst die politischen Ambitionen einzelner Mitglieder seines eigenen Teams unterminierte, welche unbedingt mit allen Mitteln im Parlament erscheinen wollten. Auf der anderen Seite garantiert es die Vorhersehbarkeit des politischen Widerstandes. Es besteht kein Zweifel, dass es für Paschinjan viel einfacher ist, mit der „Partei Wohlhabendes Armenien“ (PAP) und Tsarukyan zusammenzuarbeiten als mit der "Sasna Tsrer" -Partei und einer unkontrollierten Zivilgesellschaft.

Laut dem politischen Analyst Aghasi Yenokyan bietet das neue Bewertungssystem mehr Möglichkeiten für Manipulationen, insbesondere hinsichtlich der Organisation der Opposition. Unter den Bedingungen des neuen Wahlgesetzes wäre es für Nikol Paschinjan viel schwieriger gewesen, eine politische Konstellation zu erhalten, die seinen Zwecken im Parlament dient und insbesondere eine ausrechenbare Opposition bildet. Nikol Paschinjans Teammitglieder sahen in den Änderungen des Wahlgesetzes große Chancen, ihr eigenes Spiel zu spielen und ihre begehrten Leute im Parlament zu platzieren.

 

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