Entwicklungen nach der Wahl in Georgien

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Einen Tag nach der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen in Georgien, die mit einem klaren Sieg von Salome Surabischwili endete (Caucasus Watch berichtete), erklärte der Oppositionskandidat, Grigol Waschadse, vor seinen Anhängern, dass die von der „United National Movement“ (UNM) geführte Oppositionskoalition die Wahlergebnisse nicht akzeptiere. Er erläuterte die Forderung vorgezogene Parlamentswahl durchzuführen. Waschadse bezeichnete die Stichwahl als „eine kriminelle Farce“, die unter „kriminellen Terrorbedingungen“ durchgeführt worden sei. Zum Schluss kündigte der gescheiterte Kandidat eine Protestkundgebung für den 2. Dezember in der Rustaveli-Straße in Tiflis an.  

Mehr als 20.000 Demonstranten versammelten sich am Sonntag in der georgischen Hauptstadt Tiflis, um gegen die Ergebnisse der angeblich manipulierten Stichwahl  zu protestieren. Einige Demonstranten beschuldigten den georgischen Milliardär und Gründer der Regierungspartei, Bidsina Iwanischwili, des Wahlbetrugs und des Stimmenkaufs. Auch der Ex-Präsident Georgiens, Michail Saakaschwili, schaltete sich bei der Kundgebung über Skype ein und versprach, dass man friedlich kämpfen, aber niemals aufgeben werde. Die Demonstration soll ohne Zwischenfälle verlaufen sein.

Internationale Beobachter über die Wahlen

Die Präsidentschaftswahl am 28. November war „wettbewerbsfähig und die Kandidaten konnten sich frei bewegen. Eine Seite hatte jedoch einen übermäßigen Vorteil und der negative Charakter der Kampagne auf beiden Seiten untergrub den Prozess“, hieß es in dem gemeinsamen vorläufigen Statement der vier internationalen Organisationen – OSZE-ODIHR, der Parlamentarischen Versammlung der OSZE (OSCE PA), der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) und des Europäischen Parlaments.

In der Erklärung heißt es, dass die Wahlkampagne für die Stichwahl durch strenge Rhetorik und vereinzelte Gewaltakte, sowie durch eine Zunahme des Missbrauchs staatlicher Ressourcen gekennzeichnet war, wodurch die Trennung von Partei und Staat weiter verwischt worden sei.

Die Wahlbeobachtungsmission des ODIHR stellte fest, dass „private Medien weiterhin eine starke Polarisierung und klare Vorurteile zeigten, während der öffentlich-rechtliche Sender die redaktionelle Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht sicherstellte. Beide Teilnehmer nutzten ihre kostenlose und bezahlte Sendezeit hauptsächlich für negative Kampagnen, anstatt sich selbst zu präsentieren“.

Der Leiter der zur Wahlbeobachtung entsandten PACE-Delegation, Andrej Hunko, glaubt, dass die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen die von der Delegation bereits früher geäußerten Bedenken bestätigt habe, insbesondere hinsichtlich des „überraschend großzügigen“ Systems der Kampagnen- und der Parteifinanzierung aus dem Staatshaushalt und privaten Spenden.

Hunko kommentierte die Annullierung der Bankschulden von mehr als einer halben Million Georgiern folgendermaßen: „[...] Die zunehmende Rolle des Geldes in der Politik in einem Land mit hoher Armut und ohne effiziente Kontrollmechanismen trug nicht zum Vertrauen der Öffentlichkeit in demokratische Wahlen bei“.

Leiter der Wahlbeobachtungsmission des ODIHR, Botschafter Geert-Hinrich Ahrens, betonte, dass „Georgien als Demokratie einen internationalen Ruf genießt und das entsprechende Engagement von Bürgern und Wählern sichtbar und beeindruckend ist. Die Qualität der Wahlen wurde jedoch durch unnötig scharfe Konfrontation, negative Kampagnen und persönliche Beleidigungen einiger Mitglieder der politischen Klasse untergraben, die dies taten, anstatt sich mit Fragen zu befassen, die für Georgien wirklich wichtig sind, wie Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Ungleichheit“.

Dem Wahlbericht der NDI zufolge sei der Wahltag weitgehend problemlos verlaufen. Allerdings sei der Wahlkampf vor der Stichwahl polarisierend und geprägt von Gewalt und Einschüchterung gewesen, so der Bericht. Die NDI-Mission bringt in ihrer vorläufigen Erklärung Hoffnung zum Ausdruck, dass die Georgier „vor den Parlamentswahlen im Jahr 2020“ die strittigen und schädlichen Praktiken dieser Wahlen aufheben würden und „darauf hinarbeiten, ein konstruktiveres politisches Umfeld aufzubauen, in dem die Wettbewerber auf Augenhöhe miteinander konkurrieren und auf der Grundlage der für die Interessen der Bürger relevanten politischen Unterschiede kämpfen.“

Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten begrüßten die vorläufigen Schlussfolgerungen der Wahlbeobachtungsmission der OSZE/ODIHR. „Wir bedauern die insgesamt negativen Kampagnen, die starke Polarisierung der Medien und das Fehlen analytischer Berichterstattung“, sagte der EU-Botschafter in Georgien, Carl Hartzell, am 29. November. Er forderte die georgischen Institutionen dazu auf, die von der OSZE vorgebrachten Mängel anzugehen, mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen für zukünftige Wahlen zu verbessern.

Der „Außenminister“ der abtrünnigen Region (Abchasien) sagte, dass die Wahl eines neuen Präsidenten eine positive Grundlage für den Aufbau eines zwischenstaatlichen Dialogs zwischen Abchasien und Georgien sein könnte. Er stellte auch fest, dass keine Friedensinitiative „eine Alternative zur Freiheit und Unabhängigkeit Abchasiens werden kann“.

Es war das letzte Mal, dass die Georgier einen Präsidenten direkt wählen konnten. Mit der Abstimmung trat eine Verfassungsreform in Kraft, wonach künftig ein Wahlmännergremium diese Aufgabe übernimmt. Das Staatsoberhaupt soll zudem nur noch fünf statt sechs Jahre amtieren und überwiegend nur noch repräsentative Aufgaben übernehmen.

 

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