Expertengespräch über armenische Revolution im ZOIS-Podcast

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Die Politikwissenschaftlerinnen Gwendolyn Sasse (Direktorin des ZOIS) und Nadja Douglas (wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZOIS) diskutierten mit der Journalistin und Kaukasus-Expertin Silvia Stöber über die Vorläufer der Proteste, ihrer wichtigsten Erfolgsfaktoren und über den von der Regierung Paschinjans angestoßenen Reformprozess. Das im ZOIS-Podcast erschienene Gespräch ist auf der Website des Berliner Zentrums für Osteuropäische und Internationale Studien frei verfügbar. Im Laufe des 42-minütigen Gesprächs haben die Experten den Verlauf der Proteste 2018 detailliert analysiert und sind dabei auf die sozioökonomischen Hintergründe der Protestbewegung und die Taktik der Demonstranten eingegangen, die zu dem Erfolg der armenischen Revolution und der Erhebung Paschinjans zur Führungsfigur der Protestbewegung führte. 

In Bezug auf die außenpolitischen Ergebnisse und Perspektiven der „Samtenen Revolution“ äußerte die wissenschaftliche Mitarbeiterin des ZOIS, Nadja Douglas, die Einschätzung, dass sich die Außenpolitik Jerewans aufgrund des erfolgten Machtwechsels nicht wesentlich ändern werde. „In Bezug auf Russland wird die Paschinjan-Regierung eine Politik der Kontinuität bevorzugen. Trotz allem denke ich, dass Armenien sich im Rahmen des CEPA-Abkommens mit der EU weiterhin konstruktiv verhalten wird, aber ich denke nicht, dass es in absehbarer Zeit dann Schritte gibt hin zu einem Assoziierungsabkommen mit der EU“, sagte sie. Laut Douglas liegt das daran, dass die armenische Bevölkerung gleichgute Beziehungen zur EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion unterhalten möchten. „Insofern glaube ich nicht, dass Armenien sich in naher Zukunft eher in die eine oder in die andere Richtung bewegen wird. Und trotz allem glaube ich, dass der Paschinjan-Regierung wichtig sein wird, die Beziehungen zu Aserbaidschan zu normalisieren. Die Umfragen zeigen, dass direkt nach den Problemen der Arbeitslosigkeit und den sozioökonomischen Fragen immer wieder der Bergkarabach-Konflikt als wesentliches Problem für Frieden, Stabilität und die nationale Sicherheit Armeniens genannt wird. Im Unterschied zu anderen Konflikten in der Region, wie etwa in Georgien oder Moldau, ist der Konflikt in Bergkarabach kein eingefrorener Konflikt, und das ist jedem Armenier und jeder Armenierin bewusst“, meint die wissenschaftliche Mitarbeiterin von ZOIS.

Die Journalistin Silvia Stöber ging auf die Verbindung zwischen den April-Kampfhandlungen 2016 in Bergkarabach und der armenischen „Samtenen Revolution“ im April 2018 ein. „Im 4-Tage-Krieg 2016 in Bergkarabach war Aserbaidschan in der Lage ein Stück Territorium einzunehmen. Es gab Tote, viele Tote auf der armenischen Seite, und dabei wurden russische Waffen eingesetzt – das heißt Waffen, die Russland an Aserbaidschan geliefert hatte. Das löste großen Ärger in der [armenischen] Bevölkerung aus. Der armenischen Regierung wurde vorgeworfen, zum einen, das Territorium nicht verteidigen zu können. Zum anderen, nicht verhindert zu haben, dass Russland Waffen an Aserbaidschan verkauft. Und dann kam noch der Aspekt der Korruption hinzu, da die Soldaten nicht gut genug versorgt wurden, um gut und ausreichend in der Lage dazu zu sein zu kämpfen. Das hat sehr viel ausgemacht in Bezug auf den Glaubwürdigkeitsverlust und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung“, sagte Stöber. Sie fügte hinzu, dass auch die Thesen der Republikanischen Partei, die sehr viel auf innere Stabilität baute und davor warnte, dass eine Destabilisierung in Armenien von Aserbaidschan für einen Angriff ausgenutzt werden würde, sich nicht bewahrheitet hatte. Laut der Journalistin ist der politische Spielraum von Paschinjan in der Bergkarabach-Frage heute begrenzt, so dass er noch härtere Positionen vertritt als seine Vorgänger aus der Republikanischen Partei.

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