Irans Kaukasuspolitik in der Schwebe
Autor: Philip Roehrs-Weist, politischer Analyst
Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, aus dem Atomdeal mit dem Iran auszusteigen, hat womöglich längerfristige Konsequenzen für die Beziehungen zwischen der Islamischen Republik und den Staaten des Südkaukasus. Obwohl Experten die Region nicht als Priorität der iranischen Außenpolitik sehen, taten sich nach dem Abschluss des JCPOA einige Möglichkeiten für die Intensivierung der wirtschaftlichen Kooperation und zur Erweiterung von Teherans diplomatischem Einfluss auf.
Die Stiftung Wissenschaft und Politik beispielsweise beschrieb den Kaukasus als wichtiges Teilglied in Irans Europa-Strategie und hob das Potential hervor, welches sich entwickeln könnte, wenn iranische Gasreserven in das wachsende Transportnetzwerk der Region eingebunden würden. Die jüngsten Äußerungen aus Baku zur möglichen Einbindung des Iran in die Trans-Anatolian Gas Pipeline (TANAP) schien diese Sichtweise zu unterstützen und bot eine attraktive Option für Irans Regierung in ihrem Drängen nach wirtschaftlicher Diversifizierung in Richtung Europa.
Sollten sich die EU-Staatschefs an ihren vorgeschlagenen Kurs halten und den europäisch-iranischen Handel vor möglichen US-Sanktionen schützen, könnten die wichtigsten der neu entstandenen wirtschaftlichen Integrationsmöglichkeiten erhalten bleiben. Trotzdem wird der Rückzug der USA und die resultierenden Konsequenzen Teheran in seinem außenpolitischen Kurs einschränken. Durch den wirtschaftlichen Schaden, der durch die Wiederaufnahme einiger Sanktionsmechanismen entstehen wird, ist der Iran gezwungen, seine Ressourcen auf die aussichtsreichsten Investitionsmöglichkeiten zu konzentrieren, welche zum größten Teil außerhalb des Kaukasus liegen.
Zusätzlich wird der Iran mit mehr Druck durch die USA und ihrer regionalen Verbündeten im Nahen Osten konfrontiert sein. Deswegen wird Teheran gezwungen sein, den Nahen Osten bei der Nutzung seiner Machtkapazitäten weiterhin stark zu priorisieren, um die strategische Tiefe zu erhalten, die der Iran dort über die letzten Jahre durch seine verbündeten Stellvertreter gewonnen hat.
Diese Konfrontation wird auch diplomatische Auswirkungen auf den Kaukasus haben, wenn man bedenkt, dass Georgien zum Teil abhängig von amerikanischen Hilfsprogrammen ist, und Aserbaidschan dafür bekannt ist, als eines von wenigen islamischen Ländern eine offene strategische Partnerschaft zu Israel zu pflegen. Darüber hinaus scheint Georgien noch immer gewisse Hoffnungen auf einen langfristigen NATO-Beitritt zu hegen. Im Falle Aserbaidschans könnte eine signifikante Annäherung zum Iran in einer potentiellen Reduzierung von amerikanischen Investitionen im Energiesektor resultieren. Im schlimmsten Falle könnten die USA sogar abschreckende Strafmaßnahmen gegen europäische Investoren verfügen, um Teherans strategische Optionen auf globaler Ebene einzuschränken. Beide Staaten werden deswegen starke Anreize haben, die Kooperation mit dem Iran auf ein Mindestmaß zu beschränken, damit wichtigere Zielsetzungen ihrer Außenpolitik realisierbar bleiben.
Das Potential in Bezug auf Armenien wurde von Anfang an als eher gering eingeschätzt, da Russland durch seinen Einfluss die Fähigkeit hat, wichtige Unternehmung zu blockieren, die nicht mit russischen Interessen vereinbar sind. Caucasus Watch berichtete bereits im Februar über gescheiterte Gespräche zwischen Armenien und dem Iran in Bezug auf zukünftige Gaslieferungen. Auch im Hinblick auf den Bau von Infrastrukturprojekten scheint die Kooperation ohne russische Investitionen nicht realisierbar zu sein.
Unter Berücksichtigung dieser Faktoren kann man davon ausgehen, dass der Iran die nach dem Abschluss des Atomdeals vielmals prophezeite Rolle als regionale Großmacht neben Russland und der Türkei nicht einnehmen wird. Hinter der Rhetorik iranisch-Südkaukasischer Beziehungen wird abgesehen von Schlüsselprojekten mit europäischem Bezug und dem Erhalt stabiler Beziehungen zu Aserbaidschan zu Gunsten der inner-iranischen Stabilität weiterhin nicht viel stehen (eine signifikante aserbaidschanische Minderheit lebt im Iran). Das Maß der Investitionen und die Förderung des zwischenstaatlichen Handels werden vergleichbar zu den Jahren vor dem Iran-Deal bleiben. Auch die Bestrebungen für mehr iranisches Engagement in der Region auf Seiten der südkaukasischen Staaten werden durch den wiedereinsetzenden diplomatischen Druck und die dadurch entstehenden Dilemmata wahrscheinlich überschaubar sein.