Johann Saathoff zum Bergkarabach-Krieg: Deutschland wird zur Konfliktlösung beitragen

Sie haben am 26. August das Amt des Koordinators für Russland, Zentralasien und die Östliche Partnerschaft angetreten. Welche Schwerpunkte werden Sie während Ihrer Amtszeit in Bezug auf den Kaukasus legen und gibt es Punkte, in denen Sie sich besonders von Ihrem Vorgänger unterscheiden?

In diesen Tagen bin ich erst einmal sehr besorgt über die erneut ausgebrochenen Kämpfe in der Region Bergkarabach zwischen Armenien und Aserbaidschan. Diese Entwicklung ist sehr gefährlich. Die Bundesregierung hat beide Seiten zu einem sofortigen Waffenstillstand und zur Rückkehr zu substanziellen Verhandlungen aufgefordert. Natürlich dominiert dieses Geschehen in der Region Bergkarabach in diesen Tagen leider erst einmal meine Beschäftigung mit dem Südkaukasus.

Kann die Bundesrepublik als Mitglied der Minsker Gruppe und in ihrer Rolle als EU-Ratspräsidentin zu einer Entschärfung der militärischen Zusammenstöße beitragen?

Außenminister Heiko Maas hat die Konfliktparteien noch am Tag des Ausbruchs der Kämpfe dazu aufgerufen, sämtliche gewaltsamen Handlungen einzustellen.  Der Konflikt um Bergkarabach kann nur auf dem Verhandlungsweg gelöst werden. Armenien und Aserbaidschan müssen zu substanziellen Verhandlungen zurückkehren. Die OSZE-Minsk-Gruppe mit ihren drei Ko-Vorsitzenden aus den USA, Russland und Frankreich steht dafür bereit. Sie haben die Konfliktparteien auch nachdrücklich zum Schutz der Zivilbevölkerung aufgerufen, wozu diese nach humanitärem Völkerrecht verpflichtet sind. 

Deutschland als permanentes Mitglied der OSZE-Minsk-Gruppe kann und wird seinen Beitrag zu den Bemühungen der drei Ko-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe leisten. In diesem Sinne haben die Bundeskanzlerin sowie Außenminister Maas beispielsweise eine ganze Reihe von Gesprächen geführt, etwa auch mit den Ministerpräsidenten Armeniens und dem Präsidenten Aserbaidschans sowie mit dem türkischen Außenminister.

Welche Rolle kann die EU bei der Deeskalation der Situation spielen?

Die EU-Staats- und Regierungschefs der EU haben auf dem Europäischen Rat am Freitag die Konfliktparteien im Bergkarabachkonflikt zu einem Ende der Feindseligkeiten und zum Einstieg in substanzielle Verhandlungen ohne Vorbedingungen aufgerufen. Der Rat unterstützt die Vermittlungsbemühungen der drei Ko-Vorsitzenden der OSZE-Minsk-Gruppe. Josep Borrell, der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, hat auf dem Gipfel den Auftrag bekommen, nach Möglichkeiten zu suchen, wie die EU eine friedliche Konfliktlösung unterstützen kann.

Außerdem hat die EU-Kommission eine humanitäre Hilfe für zivile Opfer der Kämpfe auf beiden Seiten des Bergkarabachkonflikts angekündigt. Sie stellt eine halbe Million Euro zur Verfügung, die für medizinische Ausrüstung, Lebensmittel und andere Güter für mehrere Tausend Menschen bestimmt sind. Der Blick auf die Nöte und Bedürfnisse der zivilen Bevölkerung auf beiden Seiten des Konflikts ist sehr wichtig.

Welche Instrumente bzw. Pläne hat Deutschland im Rahmen des Vorsitzes im EU-Ministerrat in Bezug auf die Lösung von Konflikten in der Region, insbesondere auf zivilgesellschaftlicher Ebene? Sind für diese Periode neue Projekte in Bezug auf Bergkarabach oder den Konflikten in Georgien geplant?

In Bergkarabach kommt es jetzt - wie bereits dargestellt - darauf an, dass die Konfliktparteien die Gewalt schnell beenden und zu substanzielle Verhandlungen zurückkehren. Das ist die unmittelbare und große Herausforderung – also eine Kurzfristperspektive.

Betrachtet man den Konflikt in einer langfristigen Perspektive, so wird die Bedeutung der Zivilgesellschaften für eine dauerhafte friedliche Lösung deutlich: Austausch und Begegnung von Mensch zu Mensch können langfristig Vertrauen zwischen Gesellschaften fördern und so den Boden für Fortschritte in politischen Verhandlungen bereiten. Das Auswärtige Amt finanziert seit Jahren ein Projekt, das darauf zielt, durch biographisches Erzählen das Verständnis zwischen Menschen auf beiden Seiten des Bergkarabach-Konflikts zu fördern. Dieser Weg bleibt auf lange Sicht richtig.

Was ist mit den Konflikten in Georgien?

Der EU-Sonderbeauftragte für den Südkaukasus und die Krise in Georgien, Toivo Klaar, hat Ende September auch Georgien besucht. Er hat dort die nächste Runde der Genfer Gespräche Anfang Oktober vorbereitet, die das richtige Forum für die Bearbeitung der Konflikte in Georgien bleiben.

Hier in Berlin hat Außenminister Maas vor einigen Tagen erst das Europäische Kompetenzzentrum für ziviles Krisenmanagement eröffnet – dieses Zentrum wird die zivilen Missionen der EU durch Beratung und Personalentwicklung weiter verbessern, und davon profitiert dann natürlich auch die wichtige EU Monitoring Mission in Georgien.

Es bleibt richtig, langfristige und friedliche Perspektiven für die Menschen im Südkaukasus zu erschließen, und da verfügt die EU als großes Friedensprojekt der Nachkriegszeit über besondere Expertise.

Schauen wir über die gegenwärtige Krise um Bergkarabach hinaus auf einen dann hoffentlich wieder friedlichen Südkaukasus. Welche Schwerpunkte würden Sie da gerne in Ihrer Tätigkeit setzen?

Für mich selbst war als Heranwachsender die Begegnung mit Jugendlichen aus anderen Ländern in internationalen Sommercamps eine prägende Erfahrung. Einen Schwerpunkt in meiner Tätigkeit möchte ich deshalb auf die Themen Jugend und Begegnung legen – die beide ja auch schon meinem Vorgänger Dirk Wiese am Herzen lagen. Das Förderprogramm des Auswärtigen Amts „Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland“ ermöglicht schon seit 2014 Begegnungen und gemeinsame Projektarbeit von Menschen aus Deutschland, Armenien, Aserbaidschan und Georgien. Das ist aktive Arbeit für Verständigung und Frieden mit langfristiger Perspektive.

Zweitens mache ich als Bundestagsabgeordneter aus Ostfriesland seit Jahren schon Wirtschafts- und vor allem Energiepolitik – über dieses Thema hatte ich schon zuvor Kontakt zum Südkaukasus. Diese Expertise möchte ich in meiner neuen Funktion einbringen. Armenien, Aserbaidschan und Georgien bieten großes Potenzial für den Ausbau erneuerbarer Energien, den sich die Regierungen in unterschiedlichem Umfang ja auch zum Ziel gesetzt haben. Auf diesem Feld hat Deutschland mit der Energiewende schon wichtige Erfahrungen gemacht und deutsche Unternehmen verfügen über besonderes Know-How. Das ist eine große Chance auch für den Austausch zwischen unseren Gesellschaften. Voraussetzung dafür ist aber natürlich, dass die Waffen zwischen Armenien und Aserbaidschan endlich wieder schweigen.  

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