Massenproteste in Georgien
Tausende von Menschen versammelten sich am 31. Mai nach der Bekanntgabe eines Gerichtsurteils über den Mord an zwei Minderjährigen im Zentrum der Hauptstadt Tiflis zu einer Protestkundgebung. Die Demonstranten forderten die Bestrafung der Mörder und den Rücktritt des Ministerpräsidenten des Landes, meldet BBC.
Die 16-jährigen David Saralidse und Levan Dadunashvili, Schüler der 51. Tifliser Schule, waren im Dezember letzten Jahres im Zentrum von Tiflis Opfer einer Gruppe von Jugendlichen geworden. Nach Angaben der Ermittler hatte es einen Streit in der Schule gegeben. Der Konflikt ging weiter und mündete später in eine Messerstecherei auf der Straße. Dadunashvili ist auf der Stelle an den ihm zugefügten Stichwunden gestorben. Saralidse starb ein Tag später im Krankenhaus.
Der brutale Mord im Zentrum der Stadt sorgte in Georgien für große Resonanz. Zwei Jugendliche kamen als Mordverdächtige der Anklagebank. Darüber hinaus wurden fünf Personen der Tatverschleierung beschuldigt. Insgesamt wurden nach Angaben des Büros des Staatsanwalts mehr als hundert Zeugen verhört, aber nur wenige Personen hätten bei der Ermittlung mitgewirkt.
Das Gericht der Stadt Tbilisi hat am 31. Mai einen der Verdächtigen für den vorsätzlichen Mord an Dadunashvili verurteilt. Beim zweiten Angeklagten in diesem Fall hat das Gericht die Anklage umformuliert und ihn nicht wegen Mordes, sondern wegen versuchten Mordes schuldig gesprochen.
Die Bekanntgabe des Urteils sorgte für Aufregung im Gerichtsgebäude und für Empörung beim Vaters eines der Ermordeten, Zaza Saralidse, der dem Staatsanwalt zuvor eine parteiische Untersuchung vorgeworfen hatte. Saralidse behauptet, dass einer der ehemaligen Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft die Täter gedeckt und eine objektive Untersuchung verhindert habe. Ferner behauptete er, dass tatsächlich nicht zwei, sondern mindestens vier Personen seinen Sohn umgebracht hätten. "Die Mörder meines Sohnes werden nicht bestraft... Ganz Georgien bitte ich um Unterstützung! Das System von Shotadse [dem Oberstaatsanwalt] muss zerstört werden!", schrie Saralidse nach der Verkündung des Gerichtsurteils.
Kurz darauf kündigte der Chefankläger aufgrund von Protesten der Bürger seinen Rücktritt an. In einer Erklärung drückte Shotadse seine Zuversicht aus, dass der rechtliche Prozess fortgesetzt werde und diejenigen, die sich der Tötung von Minderjährigen schuldig gemacht haben, mit der ganzen Strenge des Gesetzes bestraft würden. Laut Shotadse seien viele unangemessene Vorwürfe gegen ihn eine politische Rache von ehemaligen Beamten, die sich vor dem Gesetz verantworten mussten, während er die Staatsanwaltschaft leitete.
Trotz des Rücktritts des Chefanklägers setzten sich die Protestaktionen fort. Am 31. Mai gegen Abend marschierten die Demonstranten zum Parlamentsgebäude im Zentrum von Tiflis. Dort wurden schon politische Forderungen erhoben, einschließlich der Forderung nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten des Landes.
Der Versuch von Premierminister Georgy Kvirikashvili, sich mit den Protestierenden zu treffen, war nicht erfolgreich. Sein Auftritt vor dem Parlamentsgebäude wurde von Demonstranten unterbrochen. Der Aufruf an die Demonstranten vom Vater des ermordeten Jugendlichen, Saralidse, Ruhe zu bewahren, wurde auch von den Teilnehmern der Kundgebung nicht gehört. Demonstranten versuchten, die Rede des Premierministers mit Pfeifen zu übertönen.
Nachdem Gegenstände, vermutlich Plastikflaschen, auf den Regierungschef geworfen wurden, war er gezwungen, die Kundgebung zu verlassen. Der georgische Premierminister sagte später, dass sein Auftritt von den meisten Bürgern positiv wahrgenommen worden sei, jedoch von einer kleinen Gruppe engagierter Personen verhindert worden sei.
Er hat versprochen, dass der Fall des Mordes an den Minderjährigen an das Innenministerium des Landes übertragen wird, und die Untersuchung unter der persönlichen Kontrolle des Innenministers Georgy Gakharia geführt wird. Die Organisatoren der Proteste erklärten bereits, dass sie die Kundgebungen erst nach dem Rücktritt des Premierministers stoppen würden. Am 4. Juni fand ein weiteres Treffen zwischen Zaza Saralidse und dem georgischen Regierungschef statt. Laut Saralidse erwartet Kvirikashvili, bis 10. Juni konkrete Ermittlungsergebnisse zu erhalten. Allerdings würden die Demonstrationen bis 10. Juni nicht nachlassen. Man halte sich außerdem an der Forderung nach dem Rücktritt der Regierung fest, berichtet TASS unter Berufung auf Saralidse. "Wenn innerhalb von sechs Tagen die Täter und ihre Beschützer nicht festgenommen werden, dann werden alle die Konsequenzen sehen", versprach Saralidse.