Melias Verhaftung löst politische Unruhen in Georgien aus

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Am 23. Februar wurde der Vorsitzende der georgischen Oppositionspartei United National Movement, Nikanor Melia, in seinem Parteibüro festgenommen. Vor der Verhaftung sprühten die Strafverfolgungsbehörden Pfefferspray in den Raum. 

„Die Strafverfolgungsbehörden warnten die vor und innerhalb des Büros der United National Movement auf dem Kakheti Highway in Tiflis versammelten Bürger, die Vertreter der Polizei bei der Vollstreckung der Gerichtsentscheidung nicht zu behindern, und gaben ihnen angemessene Zeit. Trotz zahlreicher Warnungen des Ministeriums vor Ort folgten die versammelten Demonstranten im Parteibüro nicht der rechtmäßigen Aufforderung der Polizei und leisteten den Strafverfolgungsbeamten Widerstand. Daher hat die Polizei Zwangsmaßnahmen und gesetzlich vorgesehene Sondermittel angewandt, um ihre vom Gericht dem Innenministerium übertragenen offiziellen Pflichten durchzusetzen“, erklärte das georgische Innenministerium. 

Die georgische Polizei kletterte gegen 8:00 Uhr morgens mit einer Feuerleiter durch ein oberes Fenster des Gebäudes. 21 Personen, darunter der Politiker Giorgi Baramidze, wurden während des Eindringens in das UNM-Büro festgenommen. Später wurden Baramidze und andere Festgenommene freigelassen. Baramidze sagte, dass er während der polizeilichen Operation in Ohnmacht gefallen sei und die Krankenwagenbrigade Erste Hilfe geleistet habe, wonach er erst in einem Polizeiauto wieder zu sich kam. Einige UNM-Anhänger trafen die Polizisten mit hochgehaltenen Händen und sangen Georgiens Nationalhymne. Die UNM-Führung hatte sie nachts angewiesen, die Polizei nicht anzugreifen, wenn sie das Gebäude betreten, da die Gefahr bestand, von den Behörden als „Gewaltprovokateure“ bezeichnet zu werden.

Die Oppositionsparteien des Landes kündigten nach Melias Verhaftung Massenproteste an. „Das Büro wurde durchsucht, Server wurden beschlagnahme, Archive wurden zerstört. Im Gebäude wurden Menschen vergiftet, mehrere Menschen fielen in Ohnmacht und wir konnten keinen Krankenwagen rufen. Wir werden heute unseren Protest vor der Regierungskanzlei zum Ausdruck bringen“, sagte eine der UNM-Anführerinnen, Khatia Dekanoidze. „Ich möchte allen versprechen, dass Nika Melia und unser Heimatland sehr bald frei sein werden”, sagte sie zu Unterstützern der Opposition. „Heute ist der 23. Februar, der Tag der sowjetischen Armee, und Bidsina Iwanischwili (ehemaliger Vorsitzender des georgischen Traums, der als Graue Eminenz im Land gilt - Anm. d. R.) befahl, die Zivilbevölkerung zu zerstreuen. Wir sind in Sowjetgeorgien aufgewacht. Das ist schizophren“, sagte Gigi Ugulava, Sprecher der Oppositionspartei Europäisches Georgien.

Die georgische Bürgerbauftragte Nina Lomjaria und mehrere NGOs verurteilten die Operation ebenfalls. Lomjaria veröffentlichte auf ihrer Facebook-Seite, dass die Verhaftung „beschämend” sei und „Georgiens Entfremdung vom Westen verursachen” werde. „Wir verurteilen diese Entscheidung der georgischen Regierung, die die aktuelle politische Krise im Land weiter verschärfen wird. Wir glauben, dass die georgischen Behörden die Situation mit legalen und gewaltfreien Mitteln hätte entschärfen können. Leider haben die Behörden nicht auf die Prüfung der Berufung von Melia vor dem Berufungsgericht gewartet und nicht den Willen bewiesen, die schwierige Situation zu entschärfen und den politischen Prozess in einem ruhigen Umfeld verlaufen zu lassen. Der politische Prozess hat sich seit den Parlamentswahlen allmählich verschlechtert. Er hat derzeit eine völlige Sackgasse erreicht. Die georgische Regierung hat in keinem Stadium der Verschlechterung der Krise einen wirklichen Willen gezeigt, die Situation zu entschärfen. Durch diesen letzten Schritt ist es zu einer weiteren Eskalation der Spannungen gekommen, die zerstörende Konsequenzen für das Land haben könnten. Offensichtlich trägt die Regierungspartei die volle Verantwortung für die mögliche künftige Verschlechterung der Situation“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung mehrerer georgischer NGOs.

Auf der anderen Seite lobte die Regierungspartei Georgischer Traum die Operation. Der georgische Premierminister Irakli Garibashvili dankte dem Innenminister Vakhtang Gomelauri für die Durchführung der Operation. „Wir werden das Recht aller Bürger schützen, ihre Meinung innerhalb des verfassungsmäßigen Rahmens zu äußern. So verstehen wir die Rechtsstaatlichkeit und die Grundprinzipien der Demokratie, aber natürlich mit dem Vorbehalt, dass alles im Rahmen der Verfassung und des Gesetzes geschehen muss“, fügte er hinzu.

Das Innenministerium und die Regierungspartei berichteten auch über anhaltende Cyber-Angriffe auf ihre Websites. Der Parteivorsitzende Mamuka Mdinaradze erklärte den lokalen Medien, die „zahlreichen” digitalen Operationen zielten darauf ab, die politische Situation im Land zu „destabilisieren”. Er unterstrich, dass die Regierung allen „zusätzlichen destruktiven Maßnahmen”, die gegen sie ergriffen werden, standhalten werde.

Die internationale Gemeinschaft reagierte ebenfalls auf Melias Verhaftung und äußerte Bedenken, dass der Siedepunkt in Georgien erreicht worden sei. „Wir bedauern, dass der Aufruf der Vereinigten Staaten und anderer internationaler Partner zur Zurückhaltung und zum Dialog ignoriert wurde. Wir sind bestürzt über die polarisierende Rhetorik der georgischen Führung in Krisenzeiten. Gewalt und Aggression sind nicht die Lösung, um die politischen Differenzen in Georgien zu lösen. Heute ist Georgien auf seinem Weg zu einer stärkeren Demokratie in der euro-atlantischen Staatenfamilie rückwärts gegangen“, heißt es in der Erklärung der US-Botschaft in Georgien.

„Die politische Krise verschärft sich. Alle Seiten müssen Verantwortung zeigen und das beste Interesse des Landes und des georgischen Volkes im Herzen haben. Die Bemühungen um eine gemeinsame Basis dürfen nicht aufgegeben werden“, erklärte der EU-Botschafter in Georgien, Carl Hartzell.

„Wir beobachten die Ereignisse in Georgien genau. Die Inhaftierung des Chefs einer großen Oppositionspartei ist von großer Bedeutung. Die NATO erwartet, dass Georgien als enger Partner und Aspirant die euro-atlantischen demokratischen Standards beibehält, an deren Einhaltung und Aufrechterhaltung es so hart gearbeitet hat. Dazu gehört die Lösung politischer Differenzen durch Dialog und die Vermeidung polarisierender Rhetorik und Aktionen“, sagte James Appathurai, Sonderbeauftragter des NATO-Generalsekretärs für den Kaukasus und Zentralasien.

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