Präsidentschaftsdebatte in Georgien

| Nachricht, Politik, Georgien

In Georgien wird über das jüngste Interview des Vorsitzenden der Regierungspartei „Georgischer Traum“, ehemaligen Premierministers des Landes und Milliardärs, Bidsina Iwanischwili, diskutiert. Iwanischwili, der als reichster Mann Georgiens gilt und oft auch als informeller Herrscher des Landes bezeichnet wird, ging im Gespräch mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen unter anderem auf die Hintergründe des Rücktritts des ehemaligen Premierministers, Giorgi Kwirikaschwili, ein.

Laut Iwanischwili sei Kwirikaschwili nicht mehr in der Lage gewesen, das Land zu regieren. Auch der UNICEF-Bericht über den Anstieg der Kinderarmut in Georgien (von 2,1% auf 5%) in den letzten zwei Jahren habe eine negative Rolle bei der Einschätzung der Arbeit von Kwirikaschwili durch Iwanischwili gespielt. „Es ging mir mehrere Tage schlecht, als ich gesehen habe, dass, seitdem die Partei ‚Georgischer Traum‘ in die Politik gekommen ist, das Armutsniveau bei einem Teil der Bevölkerung gestiegen ist. Zwei Banken haben ganzes Georgien ‚aufgefressen‘. Das Gleichgewicht zwischen den Staats- und Businessinteressen wurde gestört, was Kwirikaschwili und seinem Handeln zu verdanken ist.“  

Darüber hinaus übte Iwanischwili scharfe Kritik am Bankensystem des Landes. „Zwei Banken haben das ganze Lande aufgefressen. Menschen können nicht mehr ihre Bankschulden abbezahlen. Das ist nicht normal. Auf die Tatsache, dass die ‚Bank Georgiens‘ und die TBC Bank im Sinne ihrer Rentabilität weltweit führend sind, könnte man stolz sein. Aber wenn wir beachten, dass die Bevölkerung ein Drittel ihres Einkommens für Bankzinsen ausgibt, dann muss man sich schämen“, so der Parteivorsitzende des „Georgischen Traums“. Iwanischwili fügte hinzu, dass der ehemalige Regierungschef Kwirikaschwili Berichte über diese negative Situation im Banksektor vor ihm verheimlicht habe.

In Bezug auf die kommende Präsidentschaftswahl im Herbst dieses Jahres sagte Iwanischwili, dass die Regierungsmannschaft keinen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken solle, damit sich Georgien schnell in Richtung Demokratie entwickelt und sich die demokratischen Institutionen im Lande besser etablieren könnten. Seine Partei könnte aber „einen unabhängigen Kandidaten“ unterstützen, fügte Iwanischwili hinzu. Soll die Partei keinen passenden Kandidaten für das Präsidentenamt finden, dann könnte die Opposition dieses Amt für sich behalten.  

Während die Regierungspolitiker das Interview ihres Parteichefs bejubelten, kritisierte ihn die georgische Opposition heftig. Vor allem haben die oppositionellen Politiker nicht dem Satz geglaubt, dass Iwanischwili bereit sei, das Amt des Präsidenten der Opposition zu überlassen, berichtet Echo Kavkaza. Eine Abgeordnete der Partei „Europäisches Georgien“, Elene Khoschtarija, rief die Öffentlichkeit auf, wachsam zu sein: „Er (Iwanischwili) hat nun ein neues Spiel begonnen, aber wir müssen uns im Klaren sein, dass er versuchen wird, durch ein Fassadengesicht einen eigenen Kandidaten durchzusetzen.“ Die Vorsitzende der Partei „Demokratische Bewegung – Einiges Georgien“, Nino Burdzhanadze, vermutete, dass Iwanischwili einen Deal mit einer pseudooppositionellen Satellitenpartei schließen und dies als „Sieg der Demokratie“ verkaufen werde.

Die ehemalige Außenministerin Georgiens, die derzeit parteilose Abgeordnete Salome Surabischwili, wird dabei als wahrscheinlichste Kandidatin genannt, die bei der Präsidentschaftswahl die Unterstützung von Iwanischwili bekommen werde. Bidsina Iwanischwili möchte, dass bei der Wahl Kandidaten der Satellitenparteien des „Georgischen Traums“ untereinander kämpfen, meint Tinatin Bokutschawa von der oppositionellen „Vereinten Nationalen Bewegung“. Der Milliardär möchte nicht, dass ein wirklich oppositioneller Kandidat an der Wahl teilnimmt. Ausgerechnet deshalb wolle Iwanischwili die Ex-Außenministerin ins Spiel bringen, damit eine Illusion der Pluralität geschaffen werde, während die Bevölkerung tatsächlich mit einer Farce konfrontiert wird.

Ein hochrangiger Funktionär der Regierungspartei, Gija Wolskij, zeigte sich skeptisch: „Es gibt keine Opposition im Land. Es gibt nur eine Sekte, die möchte, dass die Situation in Georgien aufglüht und etwas geschieht, was sie an die Machtspitze bringt. Alle Erklärungen und Kommentare dienen diesem Zweck“, meint Wolskij. 

 

Siehe auch

"Caucasus Watch" sucht lokale Experten aus Georgien, Armenien, Aserbaidschan und der Nordkaukasus-Region. Wir bieten eine flexible Form der Zusammenarbeit, eine angemessene Vergütung und Zugang zu einer europaweiten Leserschaft. Senden Sie Ihren Lebenslauf, ein Bewerbungsschreiben und eine Arbeitsprobe an redaktion@caucasuswatch.de. Für Fragen: i.dostalik@caucasuswatch.de.

Wir verwenden Cookies, um unser Angebot für Sie zu verbessern. Mehr Informationen dazu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.