Russisch-georgischer Zollpunktstreit

Georgien könnte Zollpunkte an den Grenzen zu Abchasien und Südossetien im Rahmen des Abkommens mit Russland über Handel und Warentransit eröffnen, berichtete die russische Zeitung „Kommersant“ unter Berufung auf eine namentlich nicht genannte Quelle in der russischen Regierung. Das 2011 unterzeichnete  russisch-georgische Abkommen sieht die Schaffung von drei Handelskorridoren zwischen Georgien und Russland vor. Zwei davon sollen durch die abtrünnigen georgischen Gebiete verlaufen. Dabei regelt das Dokument nur die Verpflichtungen zur Überwachung des Warenflusses durch Dritte, impliziert jedoch nicht das automatische Öffnen von Transitkorridoren. Das bedeutet, dass selbst wenn die Zollpunkte in Betrieb genommen würden, die Transitkorridore weiterhin ungenutzt bleiben könnten.

„Im Kern geht es darum, dass dieses Abkommen Georgien dazu verpflichtet, Abchasien und Südossetien als selbstständige Zollgebiete anzuerkennen“, sagte ein anonym gebliebener russischer Offizieller im Gespräch mit „Kommersant“. Tiflis lehnt es kategorisch ab, das Abkommen aus dieser Perspektive zu betrachten. „Wir lassen uns nicht auf politische Debatten ein und umgehen umstrittene Themen, denn wir erkennen, dass der Wert des Abkommens in seinem neutralen Status liegt“, so Zurab Abaschidse, der Sonderbeauftragte des georgischen Premierministers für die Beziehungen mit Russland.

Der Außenminister Georgiens, David Zalkaliani, bestreitet, dass die Zollpunkte an den Grenzen zu den abtrünnigen Gebieten eröffnet werden. Er erklärte, dass das Abkommen zwischen Georgien und Russland aus dem Jahr 2011, welches die Überwachung des Güterverkehrs zwischen Russland und Georgien durch ein schweizer Unternehmen beinhalte, die Errichtung von Zollpunkten nicht vorsehe. Zalkaliani beschuldigte russische Medien der Verbreitung von Fake-News und warf gleichzeitig der heimischen Opposition vor, Russland beim Verbreiten von falschen Nachrichten unterstützt zu haben. Der ehemalige georgische Präsident Michail Saakaschwili nutzte die Gelegenheit, um die Regierung scharf zu kritisieren. „Laut dem Abkommen, das ich 2012 erzielt habe, durften die Zollpunkte nur an unseren international anerkannten Grenzen errichtet werden. Diese Kapitulation Iwanischwilis wird langfristig katastrophale Folgen für die georgische Staatlichkeit haben“, schrieb der Oppositionspolitiker auf seiner Facebook-Seite.

Die Überwachung des Warenflusses soll laut der Vereinbarung zwischen Georgien und Russland durch die schweizer Firma „Société Générale de Surveillance“ (SGS) durchgeführt werden. Das Unternehmen soll den Frachtverkehr in beide Richtungen überwachen und der Regierung von Georgien und Russland Bericht erstatten. Jede Seite besteht darauf, dass sie dabei die eigene Position zum rechtlichen Status von Abchasien und Südossetien berücksichtigt. Russland erkennt diese Gebiete als unabhängige Staaten an, während Georgien sie als von Russland besetzte Territorien betrachtet. Im Abkommen wurde auf diesen Streitpunkt mit Absicht nicht eingegangen, wodurch seine Unterzeichnung überhaupt möglich wurde.

An der Eröffnung des Transits durch Südossetien wäre besonders Armenien interessiert, weil es derzeit beim Warentransit nach Russland auf die Georgische Heerstraße, die einzige Route,  angewiesen ist. Diese wird in Winterzeiten wegen schwieriger klimatischer Bedingungen oft gesperrt.

Am 6. Februar 2019 fand in Genf ein Treffen des gemeinsamen russisch-schweizerisch-georgischen Ausschusses statt, bei dem Vertreter aus Georgien, Russland und der Schweiz über die Umsetzung der Vereinbarung verhandelten. Seit der Unterzeichnung des Zollabkommens handelte die Schweiz als neutrale Drittpartei, um die praktische Umsetzung des Abkommens zu erleichtern. Dazu gehörte auch die Unterstützung bei der Auswahl des neutralen privaten Unternehmens, das von den beiden Vertragsstaaten  beauftragt wurde. Die Schweiz schlug auch einen Finanzierungsmechanismus vor, um Zahlungen an SGS zu erleichtern, indem sie ein Konto für die von Georgien und Russland überwiesenen Gelder bereitstellt. Die Schweiz stimmte ferner zu, den Vorsitz des Gemeinschaftsausschusses im Zollabkommen zu führen, dessen Aufgabe darin besteht, die Umsetzung des Zollabkommens zu überwachen, offene Fragen zu klären, mögliche Streitigkeiten beizulegen und bei Bedarf Experten einzusetzen.

Georgien und die besetzte Region Zchinwali, auch als „Republik Südossetien“ bekannt, sind seit dem August-Krieg 2008 durch Stacheldraht voneinander getrennt. Die russischen Grenztruppen und die Behörden der separatistischen Republik errichteten neue Stacheldrahtzäune im Dorf Balta im Bezirk Kareli im November 2018. Es kommt regelmäßig zu Festnahmen von georgischen Staatsbürgern an der Grenze zu den von Russland kontrollierten georgischen Gebieten „wegen illegalen Grenzübertritts“. Nach Angaben des georgischen Staatssicherheitsdienstes seien im Jahr 2018 insgesamt 117 Personen durch die russischen Truppen mit dem gleichen Vorwurf inhaftiert worden, 95 in Zchinwali und 25 in Abchasien. In der Regel werden die Inhaftierten nach Zahlung einer Geldstrafe freigelassen.

Russland erkannte die Region Abchasien und Zchinwali nach dem militärischen Konflikt mit Georgien 2008 als unabhängige Länder an.  Bis heute erkennen nur vier Länder die abtrünnigen Regionen Georgiens als unabhängige Republiken an; das sind Russland, Nicaragua, Venezuela und Nauru.

 

 

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