Treffen des Regierungsrates der Eurasischen Wirtschaftsunion in Jerewan
Am 30. April fand in Jerewan das Treffen des Regierungsrates der Mitgliedstaaten der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU) statt. Neben dem armenischen Premierminister Nikol Paschinjan, der Gastgeber der Veranstaltung war, nahmen auch die Regierungschefs von Russland, Belarus, Kasachstan und Kirgisistan an der Konferenz teil.
Am 29. April traf sich Paschinjan vor der Konferenz mit seinem russischen Amtskollegen Dmitri Medwedew in seiner Residenz, um die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern und die zukünftigen Projekte der EAEU informell zu besprechen. „Jetzt ist ein sehr wichtiger Moment in unseren Beziehungen“, sagte Paschinjan. „Ich bin mir sicher, dass es Pessimisten zum Trotz gelingen wird, unsere Beziehungen auf eine neue Ebene zu heben. Ich denke, wir sollten Pessimisten tatsächlich zu Optimisten machen. Wir werden alles dafür tun“, sagte Paschinjan. Er erklärte, dass die Mitgliedschaft in der Organisation für Armenien „sehr wichtig sei“. „Wir werden alles tun, um die EAEU und unsere Mitgliedschaft in der Organisation effektiver zu gestalten“, betonte er.
Paschinjan führte aus, dass sich die Beziehungen zwischen Armenien und Russland seit der Samtenen Revolution „stetig entwickelt“ hätten, aber einige Fragen seien noch offen. Zu diesen umstrittenen Fragen gehören offenbar die im vergangenen Jahr von den armenischen Behörden erhobenen Vorwürfe gegen den früheren Präsidenten Robert Kotscharjan und General a. D. Juri Kachaturow, der zum Zeitpunkt seiner Verhaftung das Amt des OVKS-Generalsekretärs innehatte. Moskau sieht diese Anschuldigungen als politisch motiviert. Der russische Präsident Wladimir Putin signalisierte mehrfach seine Unterstützung für Kotscharjan, zuletzt nachdem er im Dezember erneut verhaftet worden war.
Auf der Konferenz informierte Paschinjan die Gäste über die Entwicklung in Armenien nach der Samtenen Revolution. „In Armenien finden heute radikale Reformen in allen öffentlichen Bereichen statt. Das Endziel ist die Schaffung einer wettbewerbsfähigen und technologisch entwickelten Wirtschaft“, sagte er. Heute sei Armenien ein sich dynamisch entwickelndes Land mit politischer Stabilität, schloss er. Paschinjan hob außerdem hervor, dass die Ausfuhren aus Armenien in die anderen EAEU-Mitgliedstaaten im Jahr 2018 im Vergleich zu 2017 ein Wachstum von 20 Prozent verzeichneten.
Das Hauptthema der Konferenz war die Festlegung von Richtungen zur Schaffung eines gemeinsamen Marktes für Gas- und Ölprodukte in der EAEU. Ein besonderer Stellenwert wurde der „diskriminierungsfreien Erarbeitung“ einer Lösung für die Preisbildung von Energieträgern beigemessen. „Die Diversifizierung der außenwirtschaftlichen Beziehungen ist von besonderer Bedeutung und Armenien wird alle Anstrengungen unternehmen, um die Geografie der Freihandelsabkommen und die Suche nach neuen Partnern zu erweitern“, betonte Paschinjan.
Während der Konferenz kam es zu einer kontroversen Szene, als Medwedew die ins Stocken geratene Rede von Paschinjan, dessen Russisch-Kenntnisse bekanntlich nicht auf muttersprachlichem Niveau sind, unterbrach und anschließend gelacht hat. Als Paschinjan zum nächsten Punkt der Agenda wechseln wollte, wurde er von Medwedew mit der Frage „Wechseln zu was?“ unterbrochen. Von vielen Beobachtern in Armenien wurde dies als Ausdruck der „imperialistischen Arroganz“ des russischen Regierungschefs wahrgenommen.
Paschinjan selbst hat solche Vermutungen zurückgewiesen und erklärte, dass die Zwischenbemerkung des russischen Premierministers lediglich eine Andeutung gewesen sei, dass man endlich eine Kaffeepause machen könnte. Er beschuldigte die Anhänger des ehemaligen „korrupten Systems“, das Thema in den sozialen Netzwerken aufblasen zu wollen.
Der Vorsitzende der Eurasischen Wirtschaftskommission Tigran Sarkisjan sagte, dass ein Dialog zwischen der EAEU und der EU geführt werde und bereits erste Schritte in Richtung Zusammenarbeit unternommen worden seien. „Vertreter europäischer Unternehmen, die auf dem Territorium der Eurasischen Union arbeiten, wenden sich an uns und sagen, dass ihre Interessen wegen mangelnden Dialogs nicht berücksichtigt werden. Unsere europäischen Kollegen stellen fest, dass sie an einem solchen Dialog interessiert sind, aber aufgrund einiger politischer Fragen es keinen umfassenderen Dialog geben kann. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass sich der Dialog mit der EU nach einer Stärkung der Eurasischen Union verbessern wird“, erklärte Sarkisjan.
Manche Experten sind eher skeptisch gegenüber den Ergebnissen der Konferenz. Laut Wahe Dawtjan, dem Direktor des Instituts für Energiesicherheit in Jerewan, bringt die vorgeschlagene Schaffung eines einheitlichen Energiemarktes in der EAEU gewisse Schwierigkeiten mit sich. Ein Problem liegt daran, dass der unterschiedliche Energiebedarf der EAEU-Mitgliedstaaten zu wesentlichen Unterschieden bei den Kosten von Öl und Gas führen kann. „Unter solchen Bedingungen wird die Stromversorgung in Armenien und Weißrussland weniger kosteneffektiv sein als in Russland und Kasachstan, weil sie eigene Erdgasreserve haben“, sagte er und räumte ein, dass im Endeffekt die einzelnen Länder auf ihre engen Interessen beschränkt bleiben. Als weiteres dringendes Anliegen wies der Experte auf die sicherheitsbezogenen Risiken im Zusammenhang mit der Marktliberalisierung hin. „Der liberalisierte Markt, der auf diese Weise in der gesamten EAEU-Region entsteht, ermöglicht auch armenischen Privatunternehmen und Handelsorganisationen den Zugang zu externen Märkten – in Kasachstan oder Russland –, um Energie zu kaufen und nach Armenien zu importieren. Dies ist ein offensichtliches Risiko, das sich direkt auf unseren Status eines Energieexporteurs in der Region auswirkt“, sagte er.
Die Eurasische Wirtschaftsunion ist eine internationale Organisation für regionale wirtschaftliche Integration. Die Mitgliedstaaten der Eurasischen Wirtschaftsunion sind die Republik Armenien, die Republik Belarus, die Republik Kasachstan, die Kirgisische Republik und die Russische Föderation. Den eigenen Angaben zufolge wurde die Union mit dem Ziel geschaffen, die Wettbewerbsfähigkeit und die Zusammenarbeit zwischen den Volkswirtschaften umfassend zu verbessern und eine stabile Entwicklung zu fördern, um den Lebensstandard der Nationen der Mitgliedstaaten zu erhöhen. Die Eurasische Wirtschaftsunion gilt als ein von Russland dominiertes Projekt, das Anreize für die Länder des postsowjetischen Raums schaffen soll und als Gegengewicht für die EU auftritt.