Waffen und billiges Gas: Wie Russland seine Verbündeten für ihren Einsatz in Syrien belohnt

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Das syrische Regime von Baschar al-Assad und Russland bemühen sich darum, eine internationale Koalition zum Wiederaufbau des Landes zu schmieden. Mit armenischer Unterstützung kommen Moskau und Damaskus diesem Ziel nun einen kleinen Schritt näher.

Bei seinem Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel im August 2018 forderte Wladimir Putin die  europäischen Staaten dazu auf, Assads Regierung beim Wiederaufbau des Landes zu unterstützen. Dabei wies Putin auf die in Europa bestehenden Migrationsprobleme hin, zu deren Lösung eine europäische Unterstützung für Syrien vermeintlich beitragen könnte. Die Bundesregierung wies den Vorschlag des russischen Präsidenten unmissverständlich zurück. Es gebe in Syrien weder eine legitime Regierung noch einen politischen Prozess, der zu freien Wahlen führen würde, lautete die Begründung. Dass der Westen kein Interesse an der Finanzierung eines von Assad geführten und von Russland und dem Iran politisch und militärisch dominierten Landes hat, erscheint in Anbetracht der bestehenden geopolitischen Konfrontation offensichtlich.

Nach der Ablehnung des russischen Vorstoßes durch Europa wandte sich der Kreml an seine Verbündeten im Kreise der postsowjetischen Länder, auf die Russland immer noch einen enormen wirtschaftlichen, politischen und nicht zuletzt militärischen Einfluss hat. Armenien war jedoch bisher das einzige Land, das der Bitte von Moskau und Damaskus nachgekommen ist. Die Tatsache, dass in Syrien eine zahlenmäßig bedeutende armenische Gemeinde lebt, wird dabei von der kleinen Kaukasusrepublik als Begründung für den Einsatz hervorgehoben.

Am 8. Februar entsandte Jerewan ein Kontingent aus 83 Militärangehörigen nach Syrien. Dabei handelt es sich um Sanitäter, Minenräumer und militärisches Schutzpersonal. Die armenischen Militärangehörigen werden in und um die Stadt Aleppo herum stationiert werden. Die Armenier sollen dort „mit der Unterstützung der russischen Seite“ dienen.

Armeniens Pläne für einen solchen Einsatz in Syrien wurden von Premierminister Nikol Paschinjan im September 2018 nach seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin angekündigt. Diese Ankündigung kam für viele Analysten überraschend, denn selbst die ehemalige armenische Regierung von Sersch Sargsjan, welche als sehr loyal gegenüber Russland galt, zögerte, Truppen nach Syrien zu entsenden. Zu seiner Amtszeit sagte Sargsjan, ein Militäreinsatz in Syrien würde ein UN-Mandat erfordern.

Erwartungsgemäß kam die Truppenentsendung nach Syrien in den USA schlecht an. Während seiner Südkaukasus-Reise Ende Oktober 2018 warnte John Bolton, der nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten Trump, Armenien vor dem Truppeneinsatz zur Unterstützung der syrischen Regierung oder ihrer Verbündeten. Entsprechend kritisch äußerte sich auch die US-Botschaft in Jerewan: „[...]Wir unterstützen [...] keine gemeinsamen Aktivitäten mit den syrischen Streitkräften, unabhängig davon, ob es sich bei diesen Aktivitäten um die Unterstützung von Zivilisten handelt oder diese militärischer Natur sind. Wir unterstützen auch keine Zusammenarbeit zwischen Armenien und Russland im Rahmen dieser Mission. Russland hat sich mit dem Assad-Regime zusammengetan, um Zivilisten zu töten und eine humanitäre Katastrophe auszulösen. Russland schützt das Assad-Regime und seine Gräueltaten weiterhin auf globaler Ebene“, hieß es in einer schriftlichen Erklärung der Botschaft, die der armenischen Nachrichtenagentur „Tert.am“ vorliegt. Die Pressesprecherin des armenischen Außenministeriums, Anna Nagdaljan, sagte, dass Armenien die Erklärung der Amerikaner zur Kenntnis genommen habe und bekräftigte gleichzeitig das Vorhaben Armeniens, seine Mission in Syrien fortzuführen. Welche Konsequenzen das für Armeniens Beziehungen mit Washington haben wird, bleibt zunächst unklar. Die armenische Zeitung „Hraparak“ berichtete kürzlich, dass die US-Regierung daraufhin den geplanten Besuch des armenischen Außenministers abgesagt habe, vom armenischen Außenministerium wird diese Information jedoch bestritten.

Dass sich der neue Regierungschef, Nikol Paschinjan, im syrischen Konflikt deutlicher als sein Amtsvorgänger auf die Seite Russlands und Baschar Al-Assads schlug, dürfte mehrere Gründe haben. Joshua Kuchera, der Kolumnist von Eurasianet.org, schreibt, dass Armenien durch die Entsendung seiner Truppen nach Syrien einige Punkte bei Moskau gut gemacht haben sollte. Im Gegenzug erhält Jerewan Russlands Neutralität im für Paschinjan politisch brisanten armenisch-weißrussischen Streit um den Posten des Generalsekretärs der Organisation des Vertrags über Kollektive Sicherheit. Außerdem hat das armenische Verteidigungsministerium bekanntgegeben, dass Armenien in den kommenden zwei Jahren von Russland mehrere SU-30SM Mehrzweck-Kampfflugzeuge zu innerrussischen Preisen erhalten wird. Armenien rechnet mit einem neuen Militärdarlehen aus Moskau unter günstigen Voraussetzungen nachdem das jüngste Darlehen in Höhe von 100 Mio. USD verbraucht worden ist. Vor Kurzem konnte Armenien zumindest für 2019 eine befürchtete Preiserhöhung für Endverbraucher durch den russischen Gaskonzern „Gazprom“ vermeiden.

Der armenische Syrien-Einsatz könnte auch als eine Art „Treuebeweis“ von Nikol Paschinjan gegenüber Moskau betrachtet werden. Denn als Paschinjan in der Opposition war, äußerte er sich gegen den Beitritt Armeniens in die von Russland dominierte Eurasische Wirtschaftsunion, was der Kreml sicherlich nicht vergessen hat. Doch seit seinem Amtsantritt im Mai 2018 hat Paschinjan immer wieder einen Kurswechsel in der Außenpolitik Armeniens ausgeschlossen. Er hat die fortgesetzte Mitgliedschaft seines Landes in den von Russland geführten Militär- und Handelsblöcken befürwortet. Im neuen Regierungsprogramm Armeniens wird die Vertiefung der Beziehungen mit Russland als eine der außenpolitischen Hauptprioritäten bezeichnet.

Der tatsächliche Wert des armenischen Einsatzes für Russland liegt eher in seiner symbolischen Bedeutung. Die Internationalisierung einer von Russland geführten Mission in Syrien fördert die Legitimierung des Regimes von Präsident Baschar al-Assad und entspricht der aktuellen Position des Kremls im Syrien-Konflikt. Allerdings gilt es als wenig wahrscheinlich, dass weitere mit Russland verbündete Staaten, wie etwa Weißrussland oder Kasachstan, dem Beispiel Armeniens unter den aktuellen Umständen folgen würden. Denn wirtschaftspolitisch verfügen sowohl Minsk als auch Astana über deutlich mehr Ressourcen, was ihnen ermöglicht, sich nicht an der Verfolgung von Russlands geopolitischen Interessen in Syrien beteiligen zu müssen.

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