Bergkarabach-Konflikt: Krise der Diplomatie, Säbelrasseln des Militärs

In den vergangenen Tagen hat sich die Lage rund um den ungelösten armenisch-aserbaidschanischen Bergkarabach-Konflikt zum wiederholten Mal zugespitzt. Anzeichen wachsender Spannung sind sowohl in der diplomatischen Rhetorik der beiden Konfliktparteien als auch der Situation an der Front deutlich zu spüren. 

Der armenische Außenminister, Sohrab Mnazakanjan, sagte bei einem Treffen mit seinem Amtskollegen aus Uruguay am 14. August, dass er hinsichtlich der Position Armeniens im Konflikt um Bergkarabach zur jüngsten Erklärung des Ministerpräsidenten Nikol Paschinjans „nichts hinzuzufügen” habe.    

Der armenische Regierungschef hatte am 5. August während seines Besuchs in der Konfliktregion erklärt, dass Bergkarabach ein integraler Teil Armeniens sei (Caucasus Watch berichtete). Diese Äußerungen wurden vom aserbaidschanischen Außenministerium heftig kritisiert und als „Selbstentlarvung der Okkupationspolitik“ Armeniens bezeichnet, wonach es zu einem verbalen Schlagabtausch zwischen den Außenministerien Armeniens und Aserbaidschans kam. Die Pressesprecherin des aserbaidschanischen Außenministeriums legte am 14. August noch einmal nach, indem sie sagte, dass die besagte Erklärung Paschinjans von Baku als „das Überschreiten der roten Linie“ angesehen werde. 

Darüber hinaus hat die aserbaidschanische Gemeinde von Bergkarabach ein Schreiben an die Minsker Gruppe der OSZE, die sich mit der Konfliktlösung befasst, gerichtet. Im Schreiben wird betont, dass die Äußerungen des armenischen Ministerpräsidenten nun den gesamten Verhandlungsprozess gefährdeten.  

In Armenien selbst wurden die Worte Paschinjans unterschiedlich aufgenommen. Auf Expertenebene wird darüber diskutiert, ob solche Erklärungen der bisherigen armenischen Position, wonach Bergkarabach ein unabhängiger Staat sei, zuwiderlaufen. „Was ich nicht verstehe, ist, wie Paschinjan sein Beharren auf Bergkarabachs Rückkehr zum Verhandlungstisch erklären will, da er dies nicht mit seiner gleichzeitigen Behauptung, Bergkarabach sei Armenien, in Einklang bringen kann“, schrieb der russische BBC-Journalist Grigor Atanesian auf Twitter. „Wenn das eine Strategie ist, um Baku auszutricksen, funktioniert es nicht.“

Vor diesem ungünstigen diplomatischen Hintergrund sind auch beunruhigende Trends an der Waffenstillstandslinie und der armenisch-aserbaidschanischen Grenze zu beobachten.  Am 12. August wurde ein armenischer Soldat unter ungeklärten Umständen vom aserbaidschanischen Militär festgenommen. Während das aserbaidschanische Verteidigungsministerium behauptet, der Soldat sei aus seiner Einheit desertiert, weil er dort misshandelt worden sei, erklärte die armenische Seite, dass sie in dem Fall noch ermittle. „Ich persönlich glaube, dass er [der armenische Soldat] sich einfach verlaufen hat.  Davon bin ich innerlich überzeugt“, sagte der armenische Verteidigungsminister Tonojan.  

Am 13. August haben mehrere aserbaidschanische Medien verlauten lassen, dass die aserbaidschanischen Einheiten des Grenzschutzdienstes im Gebiet Gazakh an der Grenze zu Armenien „strategische Höhen von der armenischen Besetzung befreit“ hätten. An demselben Tag wurde bekannt, dass ein armenischer Soldat im armenischen Grenzgebiet Tawusch verletzt wurde. Die Information über die Verschiebung an der Grenze zugunsten Aserbaidschans wurde am 14. August vom Exekutivsekretär der aserbaidschanischen Regierungspartei bestätigt. Der Pressesprecher des armenischen Verteidigungsministeriums erklärte daraufhin, dass es sich um „routinmäßige“ taktische Verschiebungen handele und warnte Aserbaidschan davor, „sich weiterhin auf eine solche Weise zu verhalten“, da dies zu gewissen „Überraschungen“ führen könnte.     

Der armenisch-aserbaidschanische Konflikt um die Region Bergkarabach gilt als einer der komplexesten und opferreichsten im postsowjetischen Raum. Völkerrechtlich gehört die Region zu Aserbaidschan, de facto wird sie von armenischen Truppen besetzt gehalten. Im Zuge des blutigen Konfliktes in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden insgesamt 30.000 Menschen getötet und hunderttausende in die Flucht getrieben. Die aserbaidschanische Bevölkerung aus dem Gebiet wurde vollständig vertrieben. Neben Bergkarabach selbst wurden sieben weitere Gebiete Aserbaidschans besetzt. 

Trotz der Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, die von der Minsker Gruppe der OSZE als Konfliktvermittler vertreten wird, kommen die Konfliktparteien in den schleppend laufenden Verhandlungen kaum voran. Die Ko-Vorsitzenden der Minsker Gruppe sind Russland, Frankreich und die USA. Russland gilt dabei als wichtigster Akteur bei der Beilegung des Konflikts. Moskau verfügt über enormen machtpolitischen Einfluss im Südkaukasus, insbesondere in Armenien: Dort ist eine 5.000-Mann-starke Militärbasis stationiert, auch die Grenzen Armeniens zu der Türkei und dem Iran werden von russischen Truppen geschützt. Parallel profitiert Moskau von Waffenverkäufen an die  beiden Konfliktparteien. An der Waffenstillstandslinie zwischen den aserbaidschanischen und armenischen Truppen kommt es regelmäßig zu Schusswechseln mit Todesopfern. Zuletzt hatte sich die Lage im April 2016 zugespitzt. Damals wurden infolge von dreitägigen schweren Kämpfen hunderte Soldaten auf beiden Seiten getötet.

Author: B.Markovic, M.A. (Friedensforschung und Internationale Politik)

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