Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Ter-Petrosjan
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verkündete am 25. April das Urteil im Fall Ter-Petrosjan gegen Armenien. Der EGMR stellte einstimmig fest, dass es einen Verstoß gegen Artikel 11 (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention und einen Verstoß gegen Artikel 13 (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf) in Verbindung mit Artikel 11 gegeben habe. Beschwerden nach Artikel 5 § 1 (Recht auf Freiheit und Sicherheit) und Artikel 2 des Protokolls Nr. 4 (Freizügigkeit) wurden als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
Der ehemalige armenische Präsident, Lewon Ter-Petrosjan (1991-1998), war der wichtigste Oppositionskandidat bei der Präsidentschaftswahl in Armenien im Jahr 2008. Er und seine Unterstützer lehnten die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen vom Februar 2008, die Sersch Sargsjan den Sieg brachten, als gefälscht ab und organisierten Massenproteste. Am 1. März 2008 lösten Sicherheitskräfte Ter-Petrosjans Protestlager am Platz der Unabhängigkeit auf. Er wurde anschließend in seine Residenz in Jerewan gebracht. Tausende seiner Anhänger verbarrikadierten sich später an diesem Tag in der Innenstadt. In Folge der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Protestierenden und den Polizeikräften wurden acht Demonstranten und zwei Polizisten getötet. Daraufhin verhängte der scheidende Präsident Robert Kotscharjan einen dreiwöchigen Ausnahmezustand in der armenischen Hauptstadt. Heute sitzt Kotscharjan in Untersuchungshaft. Ihm wird im Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl 2008 der Sturz der Verfassungsordnung vorgeworfen.
Ter-Petrosjan wandte sich im August 2008 an den EGMR. Die Sicherheitskräfte hätten gegen seine Versammlungsfreiheit und die von seinen Unterstützern verstoßen und ihm widerrechtlich seiner Freiheit beraubt. Das Gericht wies die Behauptungen der armenischen Regierung zurück, dass die Kundgebungen am frühen Morgen des 1. März 2008 nicht friedlich gewesen seien. Der EGMR hielt aber auch die Beschwerde des ehemaligen Präsidenten für unzulässig, dass sein Hausarrest während der Turbulenzen politisch motiviert gewesen sei.
Vahe Grigorian, der Anwalt, der die Beschwerde von Ter-Petrosjan in Straßburg eingereicht hatte, begrüßte das Urteil des EGMR. Er sagte, dass das Urteil einen weiteren Beweis dafür darstelle, dass die Anwendung von Gewalt gegen Demonstranten, die am Platz der Unabhängigkeit protestierten, „völlig verfassungswidrig und illegal“ gewesen sei.