Vorgezogene Präsidentschaftswahlen in Aserbaidschan
Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev hat am 5. Februar 2018 ein Dekret zur Durchführung außerordentlicher Präsidentschaftswahlen in Aserbaidschan unterschrieben. Mit dem Erlass hat der Präsident die Zentrale Wahlkommission damit beauftragt, den 11. April als offiziellen Wahltermin zu benennen und außerdem sicherzustellen, dass die Präsidentschaftswahlen im Einklang mit dem Wahlgesetz der Republik abgehalten werden. „Das Dekret über die Durchführung der außerordentlichen Präsidentschaftswahlen in Aserbaidschan entspricht voll und ganz den verfassungsrechtlichen Anforderungen und der Gesetzgebung des Landes“, erklärte der Assistent des Staatspräsidenten für sozial-politische Angelegenheiten, Ali Hasanov. Novruz Mammadov, Assistent des Präsidenten für außenpolitische Fragen, hat die Wichtigkeit vorgezogener Wahlen unterstrichen, besonders hinsichtlich der Umsetzung wichtiger innenpolitischer Aufgaben. Dazu gehört eine verbesserte Wirksamkeit von Reformen, die Durchführung von Personal- und Strukturreformen sowie die Verabschiedung einschlägiger Gesetzgebungsakte. Außerdem wies er auf die Bedeutung der Neuwahlen für die Außenpolitik hin: „Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass negative Prozesse im Südkaukasus und in den Nachbarregionen akut werden und die Region und Aserbaidschan beeinträchtigen können. Eine vorbeugende Maßnahme, um diese negativen Auswirkungen zu neutralisieren, ist die Durchführung der Präsidentschaftswahlen zu einem viel früheren Zeitpunkt als geplant“.
Die Oppositionsvertreter halten die Entscheidung wegen der knappen Zeit für die Wahlvorbereitung für ungerecht. Außerdem wird argumentiert, dass sich Präsident Aliyev durch die vorgezogenen Wahlen eine günstigere Position für weitere sieben Jahre verschaffen möchte. Die Oppositionsbewegung „REAL“ und der „Nationalrat der demokratischen Kräfte“ erklärten in ihren Statements, dass sie die Wahlen boykottieren werden. Bisher haben sechs weitere Kandidaten ihre Absicht über die Teilnahme an den Wahlen angekündigt – unter anderem Isa Gambar, Gründer der oppositionellen Partei „Müsavat“. Die Assistentin des US-Außenministers Bridget Brink, die sich zu einem Besuch in Baku befindet, hat sich mit dem Müsavat-Chef bereits getroffen.
Elkhan Shahinoglu, Politikexperte und Leiter des Forschungszentrums „Atlas“, beurteilt die Entscheidung über vorgezogene Wahlen als Maßnahme zur Bewahrung der innenpolitischen Stabilität und zur Vorbeugung möglicher Einmischungen aus dem Ausland. Der Parlamentsabgeordnete und Politikwissenschaftler Rasim Musabayov vertritt dabei die Meinung, dass die Entscheidung mit dem aktuellen Stand der Verhandlungen mit Armenien um die Lösung des Bergkarabachkonflikts zusammenhängen könnte. Im April treten in Armenien Verfassungsänderungen in Kraft, die für den Premierminister mehr reale Macht bedeuten würden. Die Kandidatur des armenischen Premierministers steht dabei noch nicht fest. Musabayov schloss nicht aus, dass Aserbaidschan mit der Entscheidung vermeiden wolle, dass sich die Bergkarabach-Verhandlungen weiter in die Länge zögen. Die zeitlich voneinander weit entfernten politischen Prozesse in beiden Ländern – zuerst die armenische Verfassungsänderung im April, dann die aserbaidschanischen Präsidentschaftswahlen im Oktober – könnten als Vorwand dienen. Womöglich stünden Aserbaidschan und Armenien schwierige, durchbrechende Zugeständnisse bevor.
Die Präsidentschaftswahlen in Aserbaidschan waren ursprünglich für den 17. Oktober 2018 geplant. Aserbaidschans Zentrale Wahlkommission hatte am 20. Januar mit der Vorbereitung der Wahlen begonnen. Die regierende Partei Neues Aserbaidschan (YAP) hatte Ende Januar den amtierenden Präsidenten Ilham Aliyev als Kandidat der Partei angekündigt. Die Möglichkeit, außerordentliche Präsidentschaftswahlen auf Anweisung des amtierenden Präsidenten durchzuführen, wurde 2016 durch eine entsprechende Verfassungsänderung in Folge des Verfassungsreferendums ermöglicht. Diese Änderung war von der Venedig-Kommission des Europarats kritisiert worden, und zwar mit der Begründung, dass sich dadurch das Staatsoberhaupt eine privilegierte Ausgangsposition bei den Wahlen sichern kann. Die Regierungsvertreter verteidigten damals die Idee mit der Argumentation, dass die staatliche Struktur dadurch gestärkt werde.
Ilham Aliyev war zuletzt bei den Präsidentschaftswahlen 2013 mit 84,54 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 72,31 Prozent als Präsident der Republik Aserbaidschan wiedergewählt worden.