Wie stark könnten Putins Maßnahmen Georgien treffen?

Wie Caucasus Watch bereits berichtete, hat der russische Präsident Wladimir Putin am 21. Juni allen russischen Fluggesellschaften untersagt Flüge nach Georgien durchzuführen. Die Anordnung, die am 8. Juli in Kraft treten wird, ist auf die neuesten Spannungen zwischen Georgien und Russland angesichts der andauernden Proteste in Tiflis zurückzuführen. Darüber hinaus wurde den Reiseveranstaltern in Russland nachdrücklich empfohlen keine Reisepakete nach Georgien mehr zu verkaufen. Auch die georgischen Fluggesellschaften werden ab dem 8. Juli 2019 keine Flüge mehr nach Russland ausführen dürfen.

Damit hat Russlands Führung womöglich einen Nerv in Georgien, das viel auf die Entwicklung seines Tourismuspotenzials setzt, getroffen. Denn die Russen sind eine der zahlenmäßig größten Touristengruppen in dem Land. Laut den georgischen offiziellen Angaben haben 2018 4,8 Mio. Touristen das Land besucht. Die meisten Touristen kamen dabei aus Aserbaidschan (1,4 Mio.), Russland (1,4 Mio.) und Armenien (1,3 Mio.). Sollten die russischen Urlauber tatsächlich davon abgehalten werden, nach Georgien zu reisen, würde der georgische Tourismusmarkt mit spürbaren Verlusten rechnen müssen. Die jüngste Erklärung der georgischen Präsidentin Salome Surabischwili, dass sich die politischen Differenzen zwischen Tiflis und Moskau nicht negativ auf den Touristenstrom am Anfang der Urlaubssaisons auswirken sollten, deutet auf eine gewisse Besorgnis der georgischen Regierung über ein solches Szenario hin.

Die Politik bestimmt die Touristenzahlen

Dass die russischen Behörden mit entsprechendem politischem Willen den Strom der russischen Touristen effektiv steuern können, zeigte die Erfahrung der Türkei von 2016. Nach dem Abschuss des russischen Jets SU-24 durch die Türkei im November 2015 hatte Moskau unter anderem die „Tourismuskarte“ ausgespielt und alle Charterflüge zwischen Russland und der Türkei untersagt. Als Ergebnis fiel die Zahl der russischen Touristen von 3,44 Mio. im Jahr 2015 auf nur 860.000 im Jahr 2016. Dabei hätte die Zahl der russischen Touristen noch niedriger ausfallen können, hätten sich Russland und die Türkei nicht gleich im darauffolgenden Jahr 2016 versöhnt und die Charterflüge am 30. Juni 2016 wieder aufgenommen. Bereits 2017 stieg die Zahl der russischen Urlauber in der Türkei wieder auf 4,7 Mio.

Ob die russischen Maßnahmen den georgischen Tourismussektor genau so stark treffen würden wie im Fall der Türkei bleibt abzuwarten. Denn 80% der russischen Besucher reisten 2018 mit dem Auto nach Georgien und nicht per Flugzeug. Im vergangenen Jahr hatten nur 280.000 Russen Georgien per Flieger erreicht, ungefähr die Hälfte davon kann als Touristen bezeichnet werden, da sie mehr als 24 Stunden im Land verbracht haben.

Die russische Zeitung “Komsomolskaja Prawda” rechnete aus, wie viel Geld Georgien durch die von Russland verhängten Flugverbote tatsächlich verlieren könnte. Durchschnittlich gebe ein Besucher in Georgien 324 US-Dollar aus. Sollte man die für dieses Jahr erwartete Zahl der russischen Besucher, die per Flug Georgien erreichen,  auf 400.000 festlegen (angesichts des prognostizierten Zuwachses der russischen Besucher in Georgien für 2019 hält die Zeitung diese Zahl für realistisch), dann würde man auf einen Jahresbetrag von ca. 130 Mio. US-Dollar kommen. Das würde wiederum ca. 0,8% des georgischen Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Der stellvertretende Geschäftsführer der TBC-Bank geht davon aus, dass Georgien bis 2020 bis zu 1,5% seines BIP-Wachstums verlieren könnte.

Bei den restlichen 80% der russischen Touristen, die Georgien mit Autos erreichen, sollte man jedoch nicht die Macht der russischen staatsnahen Medien außer Acht lassen. Diese haben bereits eine Informationsoffensive gegen Georgien gestartet, offenbar um Georgiens touristische Attraktivität für die russischen Staatsbürger zu beeinträchtigen. Der Autoverkehr zwischen Russland und Georgien funktioniert den jüngsten Berichten zufolge reibungslos. Es scheint auch unwahrscheinlich, dass auf der Strecke größere Probleme aufkommen werden, da Moskaus enger Verbündeter, Armenien, nur über Georgien mit Russland verbunden ist.

Hat Russland weitere Mechanismen um Georgien unter Druck zu setzen?

In der Tat könnte Moskau noch weitere wirtschaftliche Sanktionen gegen Georgien ergreifen, sollte der Kreml zu dem Schluss kommen, dass Georgien weiter unter Druck gesetzt werden soll. Im ersten Quartal 2019 entfielen über 68% der georgischen Weinexporte auf Russland. Laut „Komsomolskaja Prawda“ könnten die Einnahmen Georgiens für den Weinexport nach Russland in diesem Jahr ca. 210 Mio. US-Dollar betragen (1,2% des BIP).

Insgesamt hat Georgien an Russland im vergangenen Jahr Waren und Güter im Wert von 400 Mio. US-Dollar verkauft. Der Aufruf zu weiteren Sanktionen gegen Georgien kam bereits vom regierungsnahen Abgeordneten, dem Vorsitzenden der Partei „Gerechtes Russland“, Sergej Mironow. Die russischen Offiziellen haben den Vorschlag bisher nicht kommentiert.

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