Die Haltung der USA im Südkaukasus: Wichtige außenpolitische Trends

Inmitten der tektonischen Verschiebungen in Eurasien stützt sich die US-Politik im Südkaukasus weiterhin auf frühere Hauptsäulen, entwickelt sich aber auch im Kontext der neuen Entwicklungen vor Ort weiter.

Die US-Außenpolitik in Eurasien ist im Wandel. Es stimmt, dass sie nie wirklich stagnierte, sondern sich ständig weiterentwickelt. Doch das Tempo der Veränderungen, die sich derzeit auf dem Kontinent vollziehen, lässt sich nur schwer mit früheren Phasen geopolitischer Aktivitäten seit dem Ende des Kalten Krieges vergleichen. Die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen, die anhaltende Krise um die sichere Schifffahrt im Roten Meer, die iranisch-pakistanischen Spannungen und die Absicht der Islamischen Republik, die amerikanische Militärpräsenz im Irak und anderswo im Nahen Osten unter Druck zu setzen, sind in der Tat gleichzeitige und in vielerlei Hinsicht miteinander verknüpfte Entwicklungen, die grundlegende Fragen zur Haltung Washingtons auf dem eurasischen Superkontinenten aufwerfen. 

Der Südkaukasus steht vor anderen geopolitischen Herausforderungen, aber vor dem Hintergrund der Ablenkung der USA in mehreren Gebieten Eurasiens könnten sich ihre langfristigen Interessen in der Schwarzmeerregion ebenfalls erheblich verändern. Ein wichtiges Hindernis für die Beziehungen der USA zum Südkaukasus ist ein oft übersehener Faktor: die Geographie. Die Region liegt im Herzen Eurasiens und hat nur eine begrenzte Verbindung zum Meer, was die Möglichkeiten Washingtons als traditionelle Seemacht einschränkt, im Falle größerer Konflikte im Südkaukasus physisch präsent zu sein. Die russische Invasion in Georgien im Jahr 2008 ist ein Beispiel für dieses Dilemma, als US-Schiffe aufgrund der Weigerung der Türkei Probleme bei der Durchfahrt durch die Bosporusstraße hatten. Daher ist die Region für die USA zwar wichtig, doch realistisch betrachtet können sie aufgrund der fehlenden Seeverbindungen wenig tun.

Die USA fühlen sich jedoch auch aus geografischen Gründen von der Region angezogen und werden wahrscheinlich auch weiterhin daran interessiert sein, wichtige geopolitische Prozesse mitzugestalten. Ein Schlüsselland ist Georgien, mit dem die USA seit den 1990er Jahren konsequente Beziehungen gepflegt haben. Georgiens Ambitionen auf eine NATO-Mitgliedschaft und seine nationale Sicherheit hängen seit jeher von engen Beziehungen zu den USA ab. Seit der Auflösung der Sowjetunion besteht ein Hauptziel der US-Politik darin, Tiflis dabei zu helfen, seine strategische Lage als zentraler Knotenpunkt des entstehenden Energie- und Verkehrskorridors im Südkaukasus zu nutzen. 

Der Erfolg dieses georgischen Korridors stützt auch eine umfassendere Vision: den transkaspischen Korridor, der unter den derzeitigen günstigen Bedingungen zu einer geopolitischen Realität werden könnte. Angesichts des russischen Krieges in der Ukraine ist die Ausweitung des Mittleren Korridors realistisch, was die Interessen der USA am Südkaukasus und insbesondere an Georgien als Tor nach Zentralasien noch verstärkt und den kaspischen Staaten eine alternative Handelsroute in die EU eröffnet.

In den kommenden Jahren könnte Georgien vor der Wahl zwischen zwei aufstrebenden technisch-wirtschaftlichen Blöcken in Eurasien stehen: Auf der einen Seite ein Block, der mit den USA verbunden ist, und einem anderen, der zunehmend mit China assoziiert wird. Die georgische Führung wird sich in diesen Beziehungen vorsichtig bewegen müssen, um China nicht zu provozieren und gleichzeitig die traditionell engen Beziehungen zum Westen aufrechtzuerhalten. In dem Maße, wie die USA ihre Haltung gegenüber China verschärfen, wird es jedoch schwieriger werden, dieses Gleichgewicht zu halten. Die strategische Lage Georgiens wird das Land zunehmend zu einem Streitpunkt machen. Die US-Außenpolitik wird sich wahrscheinlich darauf konzentrieren, Georgien von einer engeren Anbindung an China abzubringen und das Land dazu zu bringen, sich stärker an westliche Standards und Handelspraktiken anzupassen. Letztlich könnte sich dieser Balanceakt für Georgien als schwierig erweisen. Die Vereinbarkeit der Ziele einer NATO- und EU-Mitgliedschaft, die für die geopolitische Entwicklung des Landes von entscheidender Bedeutung sind, mit einer stärkeren Anbindung an China könnte sich aufgrund mehrerer Faktoren als schwierig erweisen.      

Betrachtet man andere Länder des Südkaukasus, so ist Aserbaidschan für die USA von ähnlicher geopolitischer Bedeutung. Es dient als Knotenpunkt für den transkaspischen Handel und die allgemeine Konnektivität, und Washington ist sehr daran interessiert, dass diese Verbindung sicher und funktionsfähig bleibt. Doch die Beziehungen zu Baku haben sich in den letzten Monaten nach dem Fall von Bergkarabach als eigenständige Entität etwas verschlechtert. Für die USA wird die Herausforderung daher darin bestehen, ein Gleichgewicht zwischen der Aufrechterhaltung der Nähe Aserbaidschans als notwendigem Partner und dem Umgang mit dem wachsenden geopolitischen Profil Bakus zu finden, was eine Reihe von Schritten erfordern könnte, die nicht mit dem übereinstimmen, was Washington gewohnt ist.

Armenien könnte als das für die USA strategisch uninteressanteste Land im Südkaukasus bezeichnet werden. Schließlich ist Armenien nicht in die regionale Konnektivität eingebunden. Die geschlossenen Grenzen zu Aserbaidschan und der Türkei als Folge der Besetzung aserbaidschanischer Gebiete seit den 1990er Jahren haben zur Isolation Eriwans und der daraus resultierenden übermäßigen Abhängigkeit von Moskau beigetragen. Es liegt daher im langfristigen Interesse Washingtons, die Normalisierung der Beziehungen zwischen Armenien und seinen Nachbarn zu fördern, da dies wahrscheinlich dazu beitragen würde, dass sich das Land in Sicherheitsfragen weniger auf Russland verlassen muss.

Insgesamt werden sich die USA im Südkaukasus mit dem Wandel der drei Länder hin zu einer multivektoralen Außenpolitik auseinandersetzen müssen. Georgien hat seine Beziehungen zu China, der EU und dem Nahen Osten ausgebaut, während Armenien an der Diversifizierung seiner militärischen Kontakte zu Indien, Frankreich und anderen Ländern arbeitet. Auch Aserbaidschan unterhält enge Beziehungen zu Russland und der Türkei und bleibt trotz des wachsenden gegenseitigen Misstrauens ein wichtiger Partner für den kollektiven Westen. Für die USA ist es von entscheidender Bedeutung, das Machtgleichgewicht in der Region aufrechtzuerhalten und die Konnektivität zu erhöhen, da letztere als praktikables Instrument gegen den Aufstieg einer einzelnen eurasischen Macht dienen würde, die den Südkaukasus dominieren könnte.

Emil Avdaliani ist Professor für internationale Beziehungen an der Europäischen Universität in Tiflis, und ein Experte für Konzepte der Seidenstraßen.

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