Politisches Leben in Abchasien bleibt nach wie vor anfällig

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Durch Zugeständnisse an Moskau verliert Abchasien einige der letzten Reste seiner Autonomie, die es in Bereichen wie der Innenpolitik genossen hat. Mit der Umsetzung mehrerer kürzlich unterzeichneter Abkommen mit Russland besteht die Gefahr, dass die Region faktisch in eine russische Region umgewandelt wird - ein Szenario, gegen das sich ein Großteil der abchasischen Bevölkerung vehement gewehrt hat.

Abchasien ist berüchtigt für seine Widerspenstigkeit. Es ist auch in gewisser Weise eine Ausnahme, da es nicht zu den anderen von Russland verwalteten separatistischen Regionen passt. Es gibt eine aktive politische Kultur und lebhafte Debatten, sei es über die Außenpolitik oder die Methoden der internen Verwaltung.

Diese Auseinandersetzungen beinhalten auch Diskussionen über die künftige Entwicklung der Beziehungen Abchasiens zu seinem Schutzherrn Russland. Die Beziehungen zwischen Suchumi und Moskau, die in den 1990er Jahren als entscheidend für Abchasiens Widerstand gegen Tiflis galten, sind nicht so reibungslos, wie es den Anschein hat. In der Tat waren sie das nie und sind in den letzten Jahren sogar noch unangenehmer geworden. Ein wichtiger Grund dafür ist Abchasiens Sonderstellung. Abchasien ist vielleicht der einzige Akteur in Russlands „wucherndem separatistischen Imperium“, der nicht Teil Russlands werden will. Vielmehr strebt es danach, zumindest den Anschein gleichberechtigter bilateraler Beziehungen und einer effektiven Außenpolitik zu haben.

Russland sieht das anders. Im Vertrauen darauf, dass die Feindschaft der Abchasen gegen die Georgier eine mächtige Waffe ist, die Suchumi daran hindert, die Beziehungen zu Tiflis wieder aufzubauen, kann Moskau Druck auf Suchumi ausüben und tut dies auch, wann und wo es dies für notwendig hält. Das Endergebnis ist immer, dass Moskau die Oberhand behält.

Russland ist sehr daran interessiert, abchasisches Land und die bestehende, wenn auch weitgehend marode Infrastruktur in seine Hände zu bekommen. Für die Abchasen ist das ein absolutes Tabu. Sie reagieren empfindlich auf Eingriffe von außen in ihr Land und stehen selbst Russland negativ gegenüber, wenn es darum geht, russischen Unternehmen den Erwerb von Land und Infrastruktur zu ermöglichen.

Obwohl dies ein Hindernis darstellt, versucht Russland, die Einwände zu umgehen. Die wirtschaftlichen Probleme, die durch die Pandemie verursacht wurden, beeinträchtigen weiterhin die auf den saisonalen Tourismus ausgerichtete Wirtschaft Abchasiens. Der Haushalt der separatistischen Region ist zudem stark von russischen Subventionen abhängig. Auch Strom und Gas werden aus Russland importiert.

Da Russland nicht bereit ist, Abchasiens Rechnungen ohne Gegenleistung zu bezahlen, signalisiert es Suchumi immer wieder, Zugeständnisse zu machen, die von den Abchasen langsam aber stetig gemacht werden. So drängen die Politiker in Suchumi auf die Einführung eines von Russland inspirierten Gesetzes über ausländische Agenten. Dies ist ein Ergebnis des sozioökonomischen Abkommens von 2020. Das Abkommen sieht im Wesentlichen vor, dass russische Gesetze in Abchasien übernommen werden. Dies wird die Chancen für die Präsenz westlicher Organisationen in Abchasien zunichte machen und das Land stärker in die Hände russischer Organisationen legen.

Ein weiteres wichtiges Zugeständnis ist die Erlaubnis für Russen, abchasische Pässe zu erhalten. Dieses Gesetz über die doppelte Staatsbürgerschaft würde ein großes rechtliches Hindernis für den Verkauf abchasischer Ländereien an Russen beseitigen. Bei einem der Treffen argumentierte Abchasiens de-facto-Präsident Aslan Bzhania, dass der Kauf von Grundstücken „ein wirtschaftlicher Aspekt“ sei, der nichts mit politischen Rechten oder der Staatsbürgerschaft zu tun habe.

Dies geschieht vor dem Hintergrund zunehmender russischer Forderungen wie der von Außenminister Sergej Lawrow, dass russische Immobilien in Abchasien angesichts der zunehmend unruhigen Lage sicher seien müssen. Das Zugeständnis, russischen Unternehmen den Einstieg in den abchasischen Energiesektor zu ermöglichen, ist ebenfalls eine kritische Entwicklung, die in der Region für Empörung sorgt.

Bzhania argumentierte sogar, dass einige Elemente der Souveränität zugestanden werden müssten, damit Abchasien existieren könne. Diese Entwicklungen haben regelmäßig zu Protesten geführt und in der abchasischen Gesellschaft eine allgemeine Besorgnis über die Zukunft der Region ausgelöst. So kam es beispielsweise Anfang Dezember 2021 zu Unruhen im Zentrum von Suchumi wegen der sich verschlechternden Situation zur Kriminalität. Die Demonstranten forderten den Rücktritt von Bzhania. Am 12. Dezember versuchten die Demonstranten, in das Parlamentsgebäude einzubrechen. Es wurde ein vorübergehender Waffenstillstand zwischen der Opposition und Bzhania erreicht, der jedoch offensichtlich brüchig ist.

Die Proteste werden wahrscheinlich wieder aufflammen und es Moskau ermöglichen, einen geschwächten und angeschlagenen Bzhania weiter unter Druck zu setzen, damit dieser neue Zugeständnisse macht oder die Versprechen der letzten Jahre einhält.

Die Abchasen sind zu Recht beunruhigt darüber, wohin diese Entwicklungen die Region in Zukunft führen werden. Die Hoffnungen auf echte Unabhängigkeit haben sich nie erfüllt. Unkontrolliert durch Tiflis wird die Region nun zunehmend zu einem der russischen de-facto-Territorien. Widerstand ist zwecklos, da jeder Versuch, dem übermäßigen russischen Einfluss eine begrenzte Annäherung an Tiflis entgegenzusetzen, auf erhebliche Hindernisse seitens der abchasischen Opposition stößt, die immer noch ein tief verwurzeltes Misstrauen gegenüber den Georgiern hegt. Ein Ausgleich kommt daher nicht in Frage.

Abchasien wird zunehmend zwischen zwei Schreckensszenarien hin- und hergerissen: erstens die effektive Eingliederung in Russland und zweitens die Notwendigkeit, mit Tiflis zu reden. Beides ist für die Politiker nicht attraktiv, auch wenn ab 2020 gelegentlich eine Normalisierung der Beziehungen zu Tiflis gefordert wird. Das schleichende Vordringen Russlands wird zwangsläufig eine Welle der Unzufriedenheit auslösen. Langfristig ist dies eine Chance für Tiflis, engere Beziehungen zu Abchasien zu knüpfen. Die Realpolitik wird Suchumi dazu zwingen, zumindest enge wirtschaftliche Beziehungen zu Tiflis anzustreben.

Emil Avdaliani ist Professor an der Europäischen Universität und Direktor für Nahoststudien beim georgischen Think-Tank Geocase.

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