Dirk Wiese: „Die Östliche Partnerschaft ist nicht gegen irgendjemanden gerichtet“

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Der Koordinator der Bundesregierung für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft, Dirk Wiese (SPD), im Interviewgespräch mit „Caucasus Watch“.

Herr Wiese, Georgien wurde auf dem letzten NATO-Gipfel in Brüssel von US-Präsident Trump erneut die NATO Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Diese Versprechungen waren jedoch sehr vage und haben keinen festgelegten Zeitrahmen. Was ist Ihre persönliche Meinung dazu?

Die NATO und wir stehen zu unserer engen Partnerschaft mit Georgien und vertiefen diese kontinuierlich. Beim jüngsten Gipfel im Juli hat sich die Allianz erneut zu den Beschlüssen von Bukarest bekannt. Derzeit liegt der Fokus weiter auf der Umsetzung des Substantiellen NATO-Georgien-Pakets (SNGP), welches eine engere Verzahnung Georgiens mit NATO-Standards und ‑Strukturen erlaubt, ohne dass die formale Mitgliedschaft Georgiens in der NATO auf der Tagesordnung steht.

Glauben Sie, dass durch eine engere Kooperation Georgiens mit der NATO auch die Integration mit der EU befördert werden würde?

Die Annäherung Georgiens an EU und NATO sind grundsätzlich voneinander getrennte Prozesse. Die Integration in die EU ist ebenso wie ein Beitritt zur NATO erklärtes strategisches Ziel Georgiens, weshalb sich die Regierung aktiv um die Annäherung an beide Institutionen bemüht. Darüber habe ich auch mit dem neuen Außenminister Zalkaliani gesprochen, als er im Juli Berlin besuchte.

Das Inkrafttreten des Assoziierungsabkommens mit der EU vor zwei Jahren war für Georgien ein Meilenstein auf dem Weg der Annäherung an die EU. Das gilt auch für den Wegfall der Visapflicht für Reisen in das Schengen-Gebiet.

Armenien ist außenpolitisch in hohem Maße abhängig von Moskau. Glauben Sie, dass sich durch die Samtene Revolution generell neue Möglichkeiten zur Annäherung an die EU bieten werden?

Bereits seit 1999 gibt es ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen Armenien und der EU, und seit 2009 ist Armenien Teil der Östlichen Partnerschaft der EU. Ein neues Abkommen mit der EU, das so genannte erweiterte Partnerschaftsabkommen, wurde am Rande des Gipfels der Östlichen Partnerschaft am 24.11.2017 in Brüssel unterzeichnet. Dieses Abkommen wird die Zusammenarbeit zwischen der EU und Armenien auch in Bereichen wie Rechtsstaatlichkeit und Bekämpfung von Korruption vertiefen, die von der neuen armenischen Regierung als Reformprioritäten benannt worden sind. Ich hoffe, dass dies – nach erfolgter Ratifizierung des Abkommens – der Zusammenarbeit zwischen Armenien und der EU weiteren Schwung verleihen wird. Der Schwerpunkt des Abkommens liegt in der engeren Zusammenarbeit zwischen Armenien und der EU in einer Vielzahl von Politikbereichen, die von der Außen- und Sicherheitspolitik über den Innen- und Justizbereich bis hin zu Handelsthemen reicht. In all diesen Feldern wird das Abkommen zu einer weiteren Intensivierung der Beziehungen beitragen.

Sehen Sie Armeniens Mitgliedschaft in der Eurasischen Wirtschaftsunion (EaWU) als Hindernis für eine tiefergehende wirtschaftliche Anbindung an die EU? Besonders im Hinblick auf die Möglichkeit für ein zukünftiges Assoziierungsabkommen.

Ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit Armenien steht aktuell nicht auf der Tagesordnung. Es wird von Armenien aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Eurasischen Wirtschaftsunion auch nicht verfolgt.  Dies steht engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Armenien und der EU aber nicht entgegen: Der Handel zwischen der EU und Armenien entwickelte sich in den letzten Jahren dynamisch, und das Land wickelt etwa ein Viertel seines Außenhandels mit der EU ab.

Aserbaidschan gelang es nach der Erreichung der Unabhängigkeit funktionierende Beziehungen zu allen relevanten außerregionalen Mächten aufzubauen. Nun häufen sich Indizien dafür, dass Aserbaidschan mit dem Gedanken spielt, der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) beizutreten. Welche Konsequenzen hätte eine solche Entscheidung im Hinblick auf die Beziehungen zwischen der EU und Baku?

Ich kann die Ihrer Frage zugrunde liegenden Prämisse nicht bestätigen. Nach meiner Beobachtung verfolgt Aserbaidschan weiterhin eine Außenpolitik, die auf gute Beziehungen mit allen wichtigen Partnern abzielt und keinen Beitritt zu militärischen Bündnissen anstrebt. Und das Beispiel Armeniens zeigt, wie gesagt, dass die EU in der Lage ist, auch einem Land, das Mitglied in OVKS und der Eurasischen Wirtschaftsunion ist, eine maßgeschneiderte Zusammenarbeit anzubieten.

Ankara gilt wohl als Aserbaidschans wichtigster Partner. Denken Sie, dass die wachsende Spaltung zwischen dem Westen und der Türkei auch einen negativen Einfluss auf die europäisch-aserbaidschanischen Beziehungen haben wird.

Ich möchte nicht über das künftige Verhältnis der Türkei zum Westen spekulieren. Ich gehe aber davon aus, dass Aserbaidschan ein Interesse an funktionierenden Beziehungen zwischen der Türkei und der EU hat und sich im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür einsetzen wird. Aserbaidschan ist seit 1999 über ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU verbunden und seit 2009 Teil der Östlichen Partnerschaft. Auf dieser Grundlage werden die Beziehungen zwischen der EU und Aserbaidschan auch weiterhin gepflegt werden, bis das geplante neue Rahmenabkommen verabschiedet wird.

Ende August hat die Bundeskanzlerin alle drei Staaten des Südkaukasus besucht. Können Sie etwas zur Bedeutung der Reise sagen?

Ich denke, dass der Besuch der Bundeskanzlerin in allen drei Ländern des Südkaukasus das Interesse deutlich macht, das Deutschland der Region entgegenbringt. Die drei Länder des Südkaukasus, die die Bundeskanzlerin Ende August besucht hat, haben sich in den zweieinhalb Jahrzehnten seit ihrer Unabhängigkeit sehr unterschiedlich entwickelt - auch in ihrem Verhältnis zu Europa. Jedoch gehören alle zur Östlichen Partnerschaft der EU.  Deren Ziel ist es, die Beziehungen zu den einzelnen Ländern aktiv zu gestalten und zu erweitern. Dies gilt auch für die bilateralen Beziehungen zwischen Georgien, Armenien und Aserbaidschan. Wir haben ein hohes Interesse an einer stabilen politischen und ökonomischen Entwicklung dieser Region mit ihren schwierigen Territorialkonflikten sowie ein besonderes Interesse an der Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in diesen Ländern. Hierfür ist es wichtig, dass wir uns mit der Zivilgesellschaft austauschen. Die Tatsache, dass auch eine Wirtschaftsdelegation die Bundeskanzlerin begleitet hat, zeigt, dass auch auf Seiten deutscher Unternehmen Interesse an einem vertieften wirtschaftlichen Austausch mit der Region besteht.

Moskau scheint Annäherungsversuche der EU im Kaukasus generell als Bedrohung seines eigenen Einflusses in der Region zu sehen. Gibt es Überlegungen wie man Russlands harte Nullsummenlogik in Bezug auf EU Initiativen wie die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) abschwächen könnte?

Grundsätzlich ist mir wichtig zu betonen, dass die Europäische Nachbarschaftspolitik – und damit auch die Östliche Partnerschaft - nicht gegen irgendjemanden gerichtet ist. Sie soll der Stabilisierung und wirtschaftlichen Entwicklung in den jeweiligen Ländern dienen. Daran sollte auch Russland ein Interesse haben.

Ganz allgemein, wo sehen Sie die größten Erfolge der Östlichen Partnerschaft seit der Gründung des Teilprojektes 2009? Was sehen Sie als die größten Rückschläge?

Durch die Östliche Partnerschaft haben sich seit 2009 sowohl die Beziehungen der EU zu den sechs östlichen Nachbarn Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und Ukraine als auch die Beziehungen dieser Länder untereinander deutlich intensiviert. Dabei sind die Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit Georgien, Moldau und der Ukraine besonders wichtig. Derzeit arbeiten wir gemeinsam an der Umsetzung dieser Abkommen, die die genannten Länder durch umfassende politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen näher an die EU heranführen. Ein Erfolg ist auch, dass es mit Armenien gelungen ist, das bereits erwähnte erweiterte Partnerschaftsabkommen CEPA abzuschließen, das die Beziehungen zur EU stärkt und vertieft und gleichzeitig die Mitgliedschaft Armeniens in der Eurasischen Wirtschaftsunion berücksichtigt. Dies zeigt, dass die EU auf die Wünsche und Bestrebungen der einzelnen Partner eingeht.

Aber natürlich haben wir nicht in allen Bereichen das erreicht, was wir uns erhofft haben. Trotz politischen Bekenntnisses zum EU-Annäherungskurs verläuft die Reformumsetzung nicht immer reibungsfrei. Oft geht es nur langsam voran, manchmal gibt es gar Rückschritte. Umso mehr müssen wir darauf achten, dass Reformen nicht durch Partikularinteressen behindert werden. Das heißt umgekehrt aber auch: die EU muss ihre Partnerländer weiter nachdrücklich bei ihren Reformprogrammen unterstützen: politisch, finanziell, aber auch durch Beratung und technische Unterstützung.

Auf welchen Gebieten erkennen sie das größte Erfolgspotential für die Zukunft der ÖP? 

Die Östliche Partnerschaft ist dann ein Erfolg in den Partnerländern und für die Partnerländer, wenn der konkrete Mehrwert auch bei den Menschen vor Ort ankommt: in Form von Wohlstandszuwachs und mehr Demokratie. Daher wird sich die Östliche Partnerschaft in den nächsten Jahren auf konkrete und realistische Schritte konzentrieren. Beim letzten Gipfel der Östlichen Partnerschaft im November 2017 wurden 20 konkrete Zielvorgaben für 2020 vereinbart. An der Umsetzung dieser Ziele werden wir weiterarbeiten, z.B. für mehr digitale Zusammenarbeit, bessere Konnektivität und mehr Jugendaustausch. Besonders wichtig ist mir, dass wir auch die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft ausbauen. Hierfür hat die Bundesregierung die Mittel in diesem Jahr noch einmal um 3 Millionen Euro erhöht.

All dies hat positive Auswirkungen auf das tägliche Leben der Menschen – und stärkt so auch den Rückhalt für die notwendigen Reformen. 

 

Interviewer: Philip Roehrs-Weist

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